Es ist wieder soweit! Der Sommer macht die Ärmel kurz und die Uhren sichtbar.
Das allein ist ja noch keine Katastrophe an sich, jedoch treibt dies seltsame Blüten.
Da ist zum einen die drohende Bindehautvergiftung beim Anblick so manchen Zeitmessgerätes meiner sonst so qualitätsbekundenden Mitmenschen und zum anderen die tränentreibenden "sachkundigen" Kommentare der Betrachter meiner Uhr. Das reicht von der Bemerkung meiner Sekretärin "die leuchtet aber schön im Dunkeln" bis zu der Frage, ob der Chronographenbetrieb die Batterie stark schwächt; und läßt jedesmal den Affen im Regenmantel auf meiner Schulter Tummelskopf schlagen.
Aber ich habe mich eisern im Griff und antworte nur einsilbig (in den o.a. Beispielen ist dies "ja" und "nein").
Der Großteil der mit mir auf diese Weise verbal kollidierenden Zeitgenossen haben das große Glück, dass ich nicht gewillt bin im Stil der Jesuiten auf missionarische Weise zu antworten und einen standesgemäßen Exorzismus am Handgelenk durchzuführen. Das gäbe eine Unzahl Toter und Verletzter.
Also hat mein Zahnarzt in dieser Jahreszeit viel Arbeit an meinem Gebiss. Ich neige in solchen Fällen zum Zähneknirschen.
Der Selbsterhaltungstrieb meiner Mechanikseele verbessert somit definitiv die Garderobe meines Zahnarztes. Leider nicht seine Uhr. Er trägt irgendeine Swatch mit Bohrkopfzeigern, Zahnspangenindexen und Plastikkrone.
Aber zurück zum Sommer: Die Frauen zeigen viel Haut (besonders die, welche viel davon haben) und viel Uhr (oder das, was sie dafür halten). Diejenigen, bei denen das optisch gut ankommt, achtet Mann nicht direkt auf das Handgelenk (ich danke der Natur!).
Bei den Männern entdecke ich eine erschreckende Tendenz zum Kitsch. Es gab schon mal in den 80ern Gehäuse aus alten Cola-Dosen und sogar aus Hartkäse. Jetzt geht der Trend zu Glassteinchen und Intelligenzbekundungen. Auf vielen Zifferblättern solcher Machwerke prunkt das Kürzel für "Dumm & Geil" oder was dieses "D & G" auch immer darstellen soll.
Der fast tägliche Wechsel solchen modischen Sondermülls wird per Kurzschluß der Elektronik durch eindringenden Schweiß diktiert. Wenn ihr also an besonders heißen Tagen einen Menschen mit kurzen konvulsivischen Zuckungen am Arm seht, hat sich gerade seine Handgelenksverzierung in einen Armhaargrill verwandelt.
Ich versuche zur Ganglienschonung ständig meinem Gesprächspartner die uhrlose Seite entgegen zu strecken. Die Alternative mit über der Uhr festgeknotetem Kopfkissen brachte nicht den gewünschten Effekt. Zur weiteren Entspannung der Situation trägt auch das Schild an meiner Bürotür mit der Aufschrift: "Zugang für kurzärmelige nur mit mechanischer Uhr" erheblich bei. Auch der erste Satz nach der Vorstellung, noch während des Händeschüttelns, bringt eine gewisse Linderung. Ich pflege ein Gespräch mit solchen modisch gestraften Batterieträgern mit den Worten "Ich trage eine mechanische Uhr und wünsche nicht, über ihre Behinderung zu reden" zu beginnen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass diese Leute erstmal gar nichts sagen und daher wohl jetzt zuhören können. Es gibt aber auch die begriffstutzigen, die prompt fragen: "welche Behinderung?" Darauf entgegne ich immer (der Höflichkeit halber): "Eine solche Einstellung zum Leben ist lobenswert!" Mitleid wäre hier fehl am Platze.
Meine Wärter schütteln ob meiner Nachsicht jedoch meist nur den Kopf. Na ja, es wird ja auch wieder kälter und die Ärmel länger!
Dann ist man dankenswerter Weise wieder eine Hemdbreite von der Wahrheit entfernt.