• Ich möchte das Sommerloch nutzen, um euch ein wenig zur Geschichte und Technik der Reglage eines Uhrwerkes (auch des 7750) zum Lesen zu geben:

    Wie ihr ja nun alle sicher schon mal gehört oder gelesen habt, vollzieht die Unruh samt der Spirale bei einer Frequenz von 4Hz (28.800 A/h) täglich 691.200 Halbschwingungen. Bei 10 Sekunden Abweichung beträgt die Fehlerquote 0,012% oder die Präzision 99,988%. Das ist wohl jedem klar und schon fast langweilig!
    Was aber hat es damit auf sich?

    Zuerst einmal die Frage, warum überhaupt eine Abweichung entsteht:
    Als erstes wäre die handwerkliche Ausführung der Werkteile zu nennen; unter der Voraussetzung, dass hier alles perfekt gestaltet ist, wird das Werk Stößen, Magnetfeldern, Temperatur- und Luftdruckschwankungen sowie Viskositätsänderungen des Öls ausgesetzt. Diesen Einflüssen wird je nach Hersteller der Uhr mit Stoßsicherungen, Magnetfeldschutz, Temperaturkompensation und Luftdruckkonstanten (z.B. Edelgasfüllungen) sowie Spezialölen oder ölfreien Hemmungen begegnet.
    Die eigentliche Reglage hängt vom Gütegrad des Werkes und damit von den Gangleistungen, welche man vernünftigerweise von ihm erwarten kann, ab.

    Dazu ein Statement von Sinn zur Veränderung an Chronometerwerken des Kalibers 7750: "verwendet werden folgende Bauteile: Nivarox 1-Spirale, Glucydur-Unruh, Beryllium-Plateau, Aufzugsfeder aus Nivaflex1 und Incablock-Stoßsicherung" (Quelle: Alexander Linz /Chronometer/ 1999/ Ebner-Verlag).
    Wenn also das Material stimmt, ist es nun eine Frage der Reglage. Der Beruf des Regleurs war in den Jahren 1920-67 ein fester Bestandteil einer Uhrenfirma. Longines hat mit Robert Chopard und Fernand Wenger als Regleure so viele Preise (Damals gab es noch Reglage-Wettbewerbe) gewonnen, dass der Ruf von Longines um 1950 bis zum Mythos reichte. Omega hat von 1964 bis 1966 in Folge 100.000 Chronometer-Prüfungen mit der Note "besonders gute Ergebnisse" ohne einen einzigen Ausfall bestanden. Dies war der Verdienst von dem Omega-Regleur Joseph Ory.
    Mit der Quarzuhr verschwand dieser Berufsstand fast vollständig. nur Rolex blieb immer beim Mechanikwerk und beim Regleur.

    Was macht der Regleur?
    Der Regleur versucht, den Isochronismus des Werkes zu gewährleisten; und zwar möglichst in allen Lagen und unter allen Tragebedingungen. Das bedeutet folgendes:
    Eduard Phillips hat im Jahre 1860 die Problematik von Unruh und Spirale als den gangregelnden Elementen erstmals wissenschaftlich untermauert.
    Seine Theorie: Wurde die richtige Länge der Spirale erstmal gefunden, wirkt sich jede Veränderung auf das Schwingungstempo aus. Bei Verkürzung vollziehen sich sich die großen Schwingungen schneller, bei Verlängerung die kleinen.
    Geht ein Uhrwerk bei großen Amplituden nach, muss somit die Spirale verkürzt werden; geht es vor, muss die Spirale verlängert werden.
    Die ganze Kunst besteht also darin, beim Regulierungsorgan des Werkes den Isochronismus ( Quelle: G.A.Berner, ehem. Direktor der Uhrmacherschule Biel / Wörterbuch der Uhrmacherei: "für den Uhrmacher sind die Schwingungen einer Unruh isochron, wenn deren Dauer von der Schwingungsweite unabhängig ist") der Schwingungen zu erreichen.
    Das klingt sehr einfach, ist aber in der Praxis unmöglich, da sich die Summe aller schädlichen Einflüsse niemals eliminieren läßt. Es gibt aber Faktoren, die gewichtiger sind als andere.
    Wie ihr sicher schon mal gehört habt, läuft die Spiralfeder zwischen zwei Rückerstiften (s. auch mein Foto zur Reglage in der Schrauberecke) hindurch. Ein Fehler in diesem Bereich ist in 80 Prozent aller Fälle die Ursache eines schlechten, und vor allem unbeständigen Ganges (ein Forumsmitglied hat mal geschrieben: "meine Uhr ist wie ein launisches Weib"). Welche Bedeutung die aktive Länge einer Spiralfeder besitzt, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Änderung um 0,1mm eine Gangabweichung von 25 Sek/24h zur Folge hat (abhängig von der Montage). Ganz generell gilt hier folgender Leitsatz: "Die Spiralfeder darf zwischen den Rückerstiften keinen Spielraum haben, muss aber dennoch zwischen ihnen frei hindurchlaufen." (Quelle: G.A.Berner) Eine echte Gradwanderung!
    Die anderen 20% sind zu finden in Drehmomenten der Zugfeder (bei fast abgelaufener Feder), bei Zapfenreibung in vertikaler Lage (siehe hierzu auch "Arrondierung" in meinem Stein-Beitrag), Eingriffverlusten der Zahnräder usw.

    Die Ganggenauigkeit ist also bei mechanischen Werken ein sehr komplexes Thema. Bei Quarzwerken nicht. Seit Harrison vor über 200 Jahren seinen Chronometer für die Navigation in der Seefahrt gebaut hat, ist viel Zeit vergangen. Der Harrison-Chronometer hatte eine Abweichung von 0,8 Sek/24Std., was nach einer 5-monatigen Seereise zu einer Fehlnavigation von 55km führte, da bei einer Unterteilung der Erde in 360 Längengraden 15 Grad einer Stunde entspricht (24 Stunden=eine Erdumdrehung). Machen wir diese Reise heute mit einer Atomuhr, die in 5 Monaten um 0,000000015 Sekunden abweicht, ergibt sich eine Fehlnavigation von 0,7mm.

    Insgesamt sollte man also die Gangabweichung seiner mechanischen Sinn-Uhr mal unter diesen Aspekten betrachten, dann ergibt sich vielleicht ein ganz anderes Bild als man bisher hatte. Wenn man natürlich elektronische Zeitmesser zum Vergleich heranzieht, wird diese Präzision oft herabgewürdigt. Zu Unrecht, wie ich meine.

    Gruß Gero

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