Wie meinem Profil zu entnehmen, stamme ich aus Hattingen an der Ruhr, einer mittelalterlich angehauchten Kleinstadt in Westfalen. Hier stand im 19. Jahrhundert die Wiege dessen, was als "Ruhrgebiet" bekannt werden sollte, das europaweit größte industrielle Ballungsgebiet, das auf der Basis von Montan- und Schwerindustrie (Kohle und Stahl) entstand.
Vor der Industriellen Revolution sah es in Hattingen etwa so aus:
Das Ellingsche Haus, auch Bügeleisenhaus genannt, Sitz einer Kaufmannsfamilie. Heute befindet sich dort das Heimatmuseum, und das Bügeleisenhaus ist zum Wahrzeichen der Stadt geworden.
Das alte Rathaus mit der Kirche St. Georg im Hintergrund
Hier ein Blick auf den Kirchturm von St. Georg. Die "windschiefe" Bauweise des Daches erfolgte tatsächlich mit Vorsatz, um ein Einstürzen des Dachstuhls bei schwerem Sturm zu verhindern - wie man sieht, hat das bis heute funktioniert.
Reste der alten Stadtbefestigung sind auch noch zu sehen, z. B. hier am alten Zollhaus.
Auch sonst zeugen noch viele liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser von der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glanzzeit der einstigen Hansestadt (seit 1412).
Hoch über der Stadt thronte einst eine stolze Burg, von der aber nur noch eine im 13. Jahrhundert geschleifte Ruine und ein aus den Trümmersteinen im 18. Jahrhundert erbautes Sommerhaus übrig sind, die Isenburg. Ihr Erbauer, Graf Friedrich zu Isenberg, stand Anfang des 13. Jahrhunderts sehr kurz und unrühmlich im Brennpunkt deutscher Geschichte, als er den damaligen Reichskanzler und engsten Vertrauten Kaiser Friedrichs II von Hohenstaufen, den Kölner Erzbischof Engelbert entführen und ermorden ließ. Der Kaiser, extra aus Italien von seinem Feldzug gegen den Lombardischen Städtebund zurückgeeilt, übte strenge Halsgerichtsbarkeit und ließ den Grafen öffentlich zum Richtplatz schleifen, rädern und vierteilen. Die Burg des Isenbergers wurde nur sechs Jahre nach ihrer Erbauung dem Erdboden gleichgemacht. Das Lehen des Grafen fiel dem Grafen von Berg zu, der sich darauf hin
pronto eine eigene (und damit die zweite Hattinger) Burg errichten ließ, nämlich...
... Burg Blankenstein, die zum Symbol landesfürstlicher Macht gegen die Emanzipationsversuche des aufstrebenden Stadtbürgertums wurde.
Ab dem 16. Jahrhundert folgte bis zum 19. Jahrhundert ein Fall in die Bedeutungslosigkeit: Feuersbrünste, Pest-Epidemien, die Reformation, der Dreißigjähriger Krieg, der Hexenwahn und schließlich die Besetzung durch die Truppen Napoleons, die als erste Maßnahme die Stadtbefestigung schleifen ließen, um jeglichen militärisch möglichen Widerstand zu unterbinden, kennzeichneten eine lange, äußerst wechselvolle Periode, in der es nur wenig Höhen, aber viele Tiefen gab.
Durch den Ruhrbergbau im 19. Jahrhundert gelangte die Stadt zu neuer Blüte. Der bekannteste Industriebetrieb, der in seinen Glanzzeiten gegen Mitte des 20. Jahrhunderts über 10.000 Menschen Brot und Arbeit gab, war die Henrichshütte, ein gigantisches Stahlwerk und gleichzeitig auch eines der modernsten Walzwerke der Welt:
Doch nachdem der Kohlebergbau seit Ende der 1950er Jahre im südlichen Ruhrgebiet unrentabel wurde und in den 1970ern auch die Stahlindustrie an Bedeutung verlor, gingen dann 1987, trotz Massendemonstrationen der Belegschaftsmitglieder, ihrer Angehörigen und eigentlich der ganzen Stadt, auf der Henrichshütte die Öfen aus. Alles, was an Industrieanlagen noch modern und damit verkäuflich war, wurde abgebaut und nach China verschifft, der Rest sollte eigentlich abgerissen und verschrottet werden. Das Nachspiel, der Verlust der letzten paar Arbeitsplätze nach der Stillegung des Schmiedewerks vor fünf Jahren, nahm außerhalb der Stadtgrenzen dann kaum noch jemand zur Kenntnis. Doch entstand dank entsprechender Bürgerinitiativen und Fördervereine aus den Resten der Henrichshütte das Westfälische Industriemuseum, neue Betriebe wurden angesiedelt und es geht, wenn auch langsam, wieder aufwärts. Denn wir Hattinger sind nunmal nicht unterzukriegen, und das hat man uns auch mit einem Denkmal bestätigt: Wir sind "Menschen aus Eisen"!
Ich hoffe, diese kleine Stadtführung hat euch gefallen. Wenn ihr mal in der Nähe seid, meldet euch einfach bei mir, dann können wir das - halbwegs passendes Wetter vorausgesetzt, sonst lernt ihr die Hattinger Altstadt hauptsächlich an der "Flüssig-Front" kennen
- gerne mal live wiederholen. Am zweckmäßigsten zum berühmten Altstadtfest (22. bis 24. August 2008 ), das ist sozusagen unser Ersatz für den Kölner Karneval.