Liebe Uhrenfreunde,
wie die meisten von Euch ja wissen, habe ich ein besonderes Faible für Uhren und Uhrenmarken abseits des Mainstreams. Kleinere Manufakturen wie Girard Perregaux, Vacheron Constantin, aber auch die uns verbindende Marke Sinn begeistern mich deutlich mehr als die Produkte der großen „Uhrenfabriken“. Das hat nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun, sondern eher mit Individualität und der Annahme (und teilweise auch der persönlichen Erfahrung), dass die Mitarbeiter bei kleineren Marken mit noch mehr Herzblut bei der Sache sind als bei den großen Unternehmen – sonst könnten sie am Markt kaum bestehen.
Eine dieser „Hidden Champion“-Manufakturen möchte ich Euch heute näherbringen, weil ich davon ausgehe, dass nicht allzu viele von Euch bisher etwas mit dem Namen „H. Moser & Cie“ verbinden kann – obwohl mich die ersten „wissenden“ Reaktionen von Euch auf meinen ersten Post heute überrascht haben. Meine neuste Errungenschaft ist nämlich eine H. Moser & Cie Pioneer Central Second!!!
Für Sinnderella: Nein, die Marke „H. Moser & Cie“ hat nichts mit dem Wiener Schauspieler Hans Moser zu tun.
Gegründet 1828 in St. Petersburg und später einer zweite Produktionsstätte Le Locle (Schweiz) von dem Schweizer Uhrmachermeister Heinrich Moser, entwickelte sich die Marke zunächst zu einer exklusiven und sehr renommierten Marke für hochwertige Taschenuhren. Mitte des 19. Jahrhunderts kehrte H. Moser mit seinem sehr erfolgreichen Unternehmen in seine Geburtsstadt nach Schaffhausen zurück. Interessanterweise machte der sich dort dann vor allem als einflussreicher „Industrialisierer“ von Schaffhausen einen Namen. Er war maßgeblich am Bau des Schaffhauser Damms (wichtig für die Energieversorgung der Region) beteiligt, der im Übrigen auch seinen Namen trägt.
In den Wirren der Oktoberrevolution wurde die Produktion in Russland enteignet und nur noch in der Schweiz produziert. Ab 1952 wurden auch Armbanduhren entwickelt und produziert. Von jeher bis heute ist es aber immer nur eine kleine, feine Uhrenmanufaktur gewesen, die in der Quarzkrise an einen Konzern verkauft und dort quasi eingefroren wurde. 2005 erfolgt ein Neustart in Schaffhausen als erneut unabhängiges Familienunternehmen, dass heute vom Urenkel des ehem. Werksleiters in St. Petersburg geführt wird.
Das wirklich besondere an den Uhren von H. Moser ist, dass sie zu 100% Inhouse und „Swiss Made“ entwickelt und gefertigt werden, also tatsächlich Manufaktur! Die Uhren zeichnen sich neben den einmaligen und sehr aufwendig gemachten, stark reduzierten Zifferblättern vor allem durch ihre Manufaktur-Werke und das perfekte Finish aus. Die meisten handwerklichen Arbeiten werden tatsächlich noch per Hand gemacht. Selbst die Federn/Spiralen werden selber gefertigt. Eine eigene Entwicklungsgesellschaft sorgt für kontinuierliche Innovationen auf höchstem Niveau. Das Unternehmen hat nur 50 Mitarbeiter und fertigt ca. 1.000 Uhren im Jahr. Deshalb ist der Marketing-Slogan von Moser auch „H. Moser & Cie – very rare“. Durch den hohen Anteil an Handarbeit und die lange Zeit praktizierte Philosophie, für die Gehäuse ausschließlich Edelmetalle zu verwenden (Gold, Platin, Palladium) waren die Uhren preislich bisher im absoluten High End Bereich angesiedelt (>20.000 EUR).
Soweit zur Marke! Nun zu meiner Neuerwerbung: Es handelt sich - wie gesagt - um das neuste Modell aus dem Hause Moser und wurde 2017 auf der SIHH vorgestellt. Es ist die erste sportlichere Uhr von Moser, die vom Gehäuse-Design und bedingt durch die Tatsache, dass es das erste „Serienmodell“ ist, von dem es auch eine Stahlvariante gibt, eine etwas breitere Zielgruppe ansprechen soll. Bei mir hat es funktioniert! Mit 43mm Durchmesser und einer Höhe von 15mm ist sie für mein Handgelenk bestens geeignet, das tiefseeblaue, farblich changierende Zifferblatt im „fumé“-Design (eine Spezialität von Moser, bei der die Farbe vom äußeren Rand her fließend in die Mitte heller wird) zusammen mit dem dunkelblauen Alligator-Armband (Spezialanfertigung von Reiner Ritter) verleiht der Uhr eine unglaubliche Eleganz mit sportlichem Touch. Damit lässt sie sich sowohl zu eleganterer Kleidung als auch zur Polo-Shirt/Jeans-Kombination wunderbar tragen – genau mein Ding! Dazu ist sie auch noch wasserdicht bis 120m und somit voll alltagstauglich. Wie fast alle Uhren von Moser zeichnet sich auch dieses Modell durch sein sehr reduziertes Design aus: Keinerlei Firlefanz, kein Datum – drei Zeiger und sonst nichts!
Eine absolute Augenweide aber ist das Werk, das man durch den Saphirglasboden sehr schön bestaunen kann. Ich habe versucht, die sehr auswendige Verarbeitung bestmöglich mit der Kamera einzufangen. Es tickt vergleichsweise langsam mit 21.600 Schwingungen, ist damit ein Langstreckenläufer (sehr revisionsfreudig) und hat mit einer Gangreserve von über 72 Stunden auch genügend Ausdauer.
Weil es immer wieder Freunde gibt, die sich Gedanken über den Preis machen, sei an dieser Stelle gesagt, dass diese Handarbeit, Qualität und Exklusivität wie oben erwähnt natürlich ihren Preis hat. Ist die Uhr den fünfstelligen Neupreis wert? Darf eine Flasche Rotwein 500 EUR kosten? Sind 250.00 EUR für einen Oldtimer gerechtfertigt? Eine aus meiner Sicht müßige Diskussion, denn das liegt wie immer im Auge des Betrachters. Mir ist mein Moser-Zeitmesser es auf jeden Fall wert, ich bin total happy und kann die Augen kaum von der Vorder- und Rückseite lassen.
Mir ist bewusst, dass meine Begeisterung für diese eher elegante Uhr und Uhrenmarke nicht allzu viele Anhänger finden wird in einem „Technik-Forum“, dessen Marke eher für Einsatzzeitmesser, Flieger- und Taucheruhren steht. Es gibt aber aus meiner Sicht etwas sehr Wichtiges, was die beiden Marken gemeinsam haben: Es sind von echten Unternehmern mit Leidenschaft und einer Vision geführte Uhrenmarken, deren Mitarbeiter voller Enthusiasmus und Hingabe für die Entwicklung großartiger Zeitmesser arbeiten und sich damit als unabhängige Manufakturen gegen die Riesen der Branche behaupten. Das hat mich als Kunde schon immer begeistert! Ich hoffe daher, ich konnte Euch zumindest ein wenig damit anstecken und gehe davon aus, dass Ihr als Freunde und Fans der anderen kleinen Uhrenmanufaktur – der Firma Sinn – zumindest in Teilen ähnlich empfindet wie ich!
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