"Eigentlich" wollte ich mich zuerst um die schönen neuen Uhren kümmern und um die Berichterstattung,
nachdem das Thema "Preisentwicklung" aber emotional wurde, möchte ich mal meinen Senf dazu abgeben.
Wenn ich richtig verstanden habe, geht es beim Thema "Preise" nur um die neue 206er.
Wir haben heute in Basel die neuen Modelle in der gesehen, gefühlt und am Arm angelegt.
Alles nun Folgende ist meine eigene, persönliche Einschätzung der 206er.
Vorweg sei gesagt, dass jedem seine eigene Meinung und eigene Wahrnehmung zugestanden werden sollte.
Der eine oder andere mag jetzt denken: Ist doch klar.
Dennoch, bei so manchen Kommentaren haben ich meine Zweifel, ob der theoretische Anspruch an Toleranz auch tatsächlich gelebt wird.
Also zur Sache:
Die neue 206 greift die Optik der 203 auf, ansonsten ist es eine völlig neue Uhr. Ich denke, dass die Uhr deshalb auch nicht 203.1 heißt, sondern 206.
Das Gehäuse ist völlig neu (es handelt sich NICHT um das Gehäuse des EZM 1.1), wird jetzt von SUG produziert und ist optisch und haptisch 2. Klassen höherwertiger als die alte 203.
Die Präzision, mit der sich die Lünette drehen lässt, ist auch nicht mit der von alten 203er vergleichbar. Zur Ehrenrettung der 203 muss man sicherlich bemerken, dass die Uhr vor 20 (!) Jahren auf den Markt kam. Sicherlich war der Anspruch der Marke damals auch noch ein anderer, als er es heute ist.
Das hochgewölbte Glas scheint über den Zeigern zu schweben, es wirkt sehr edel und die Entspiegelungsschicht wirkt hochwertig. Auch beim bewussten Auflegen der Fingerkuppen auf das Glas sind keine Fingertapser zu erkennen.Im Vergleich mit meinen anderen Sinn-Uhren ist diese Entspiegelungsschicht am ehesten vergleichbar mit der der 900er. Viel besser als die der U-Modelle, viel unempfindlicher als die des EZM 10 oder EZM 9.
Die Metallbänder sind die beiden bekannten Modelle, lediglich die Bandanstösse waren anders, ich empfand sie als sehr passgenau. Während bei so mancher Sinn ein spürbares horizontales Spiel besteht, ist das sehr passgenau. Ich denke, dass ein Wechsel des Metallbandes nicht schnell und einfach geht.
Die Schliese ist das gewohnte Modell, auf Nachfrage nach einer neuen Schliese für das Metallband kam der Hinweis: Noch nicht.....
Zusammenfassung: Die Uhr wirkt auf mich sehr hochwertig, die Anmutung der 206 St Ar ähnelt eher einer Breitling. Die Uhr sieht aus wie eine 203, ist aber in vielen Details hochwertiger.
Nicht neu ist das klassische Layout des 7750-Werkes: Tag/Datum rechts, die Zähler auf 6, 9 und 12 Uhr. So wie immer halt.
Hätte die neue Arktis eine andere Anordnung wie z.B. Bicompax oder Tricompax oder gar ein SZ01 würde jeder zu Recht lärmen:
Skandal ! Das ist keine Arktis, das original sieht anders aus !!
Ob das alles den Mehrpreis wert ist ?
Das kann nur jeder selbst für sich entscheiden. Wie seit 100 Jahren sollte man sich immer dann eine Meinung bilden, wenn man die Uhr selbst gesehen hat und anprobiert hat am eigenen Arm.
Jeder, dem die Uhr gefällt, sollte nicht wie ein hypnotisiertes Karnickel die Preisliste anstarren, sondern das anschauen, worum es geht: die Uhr.
Zum Umgang mit den Preisen:
In keinster Weise kann ich die Dramatik nachvollziehen, wie in sozialen Netzen (auch hier) damit umgegangen wird.
Ich verstehe die Enttäuschung, wenn das Objekt der Begierde ausserhalb der Reichweite oder ausserhalb der Erwartungen liegt. Uhrenkauf ist eine hochemotionale Sache, dennoch sollte man versuchen, doch halbwegs sachlich damit umgehen.
Auch die Werte-Welt des Herrn Sinn heranzuzerren, der vor ca. 25 (!) Jahren die Marke verkauft hat, ist für mich völlig deplaziert.
Die Firma hat sich von der regionalen "Gut-und Günstig"-Firma mit ca. 20 Mitarbeitern zu einer Marke entwickelt, die 120 Mitarbeitern beschäftigt, in der Zwischenzeit weltweit bekannt ist und eine der führenden deutschen Marken mit einem hohen technischen Anspruch geworden ist.
Ich halte es für naiv zu glauben, dass das mit immer günstigen Preisen einher geht.
Jede Firma, die gesund wachsen will, muss Geld verdienen. Ich hoffe, dass dies jedem von uns vergönnt ist. Und dass jeder jedes Jahr sein erträgliches Einkommen hat.
Jeder, dessen Firma als Ziel hat, noch viel billiger als die anderen zu sein, der sollte sich rechtzeitig über neue Tätigkeitsfelder bemühen,
Selten geht das gut.
Dass dann noch die derzeit "strubbelige" Service-Situation mit herangezogen wird, ist für mich polemisch. Natürlich gibt es dort gerade Schwierigkeiten und auch ich bin ein Opfer davon.
Dennoch wissen alle Sinn-Fans, das der Service immer eine Lösung findet, meist äußerst kulant ist und immer versucht, das Problem in den Griff zu kriegen.
Zum Thema "Doppelmoral":
Jeder, der sich vor 30 Jahren eine Sinn 103 oder 140 oder 142 gekauft hat, freut sich heute diebisch, dass er auf die richtige Marke gesetzt hat.
Und nicht auf Dugena, nicht auf die vielen anderen wirklich guten Marken, die heute tot sind oder einen sehr geringen Marktwert haben.
Doch woher kommt das ?
Ist das so, weil "gut und günstig" das oberste Ziel ist. Wohl kaum.
Ist das so, weil man immer die beste Uhr zum billigsten Preis machen wollte: Aber hallo, bestimmt nicht.
Ich kann mich auf der einen Seite nicht über ein überproportionales Wachstum des Marktpreises meiner ollen Zwiebel freuen und gleichzeitig glauben,
dass dann, wenn ich wieder kaufen möchte, die Uhr möglichst billig sein soll.
Pardon, das geht nicht.
Und nun noch der vielzitierte Vergleich mit Guinand:
Wer die Vergangenheit nicht vollständig aus seiner Erinnerung gelöscht hat, der weiß, dass Guinand bereits tot war.
Tot.
Um die Dramatik noch deutlicher zu machen: So eine Firmenschließung hat so mancher Unternehmer persönlich nicht überlebt.
Und es gab damals trotz langer Suche keinen einzigen Kaufinteressenten, es gab niemanden, der die Marke übernehmen wollte. Niemand.
Wäre Guinand damals eine profitable Marke mit treuen Kunden und einer klaren Markenbotschaft gewesen, hätte sich sicher ein Käufer gefunden.
Nur dank eines charismatischen Uhrenfreaks, der mit viel Fleiß, mit Geschick und Leidenschaft und einem feinen Händchen die Marke wieder wachgeküsst hat, gibt es Guinand heute wieder.
Die Marke Guinand war bereits beerdigt, er hat sie wieder ausgegraben.
Und er ging auf Spurensuche, zu Helmut und in die Schweiz.
Die Marke ist heute schöner und besser und prächtiger als je zuvor. Ich habe hohen Respekt vor dieser unternehmerischen Leistung. Chapeau !
Doch auch Guinand muss Geld verdienen und die Uhren werden (zu Recht) teuerer werden müssen. Und das ist gut und richtig so.
Ein Vergleich aus einer anderen Branche:
Ich bemühe mal den alten Vergleich mit Autos, das kennt jeder und ist griffig. Die Marke Audi war vor 30 Jahren soviel "Wert" wie VW, Opel oder Ford. Gute Qualität zum anständigen Preis.
Aber Premium ? Nein,nicht wirklich. Und heute ? Heute hat sich die Marke toll entwickelt, ist z.B. im Bereich der Qualität im Inneraum oder bei Multimedia führend.
Heute nennt jeder die Marke Audi zusammen mit BMW und Mercedes.
Sicherlich hat aber Audi auch einige Fans verloren, die ein Preisniveau von VW/Opel/Ford als Maßstab nahmen.
Wenn BMW heute ein neues Modell ab 85.000,-- EURO auf den Markt bringt, wie reagiert der Kunde ?
Wechselt er die Marke und ruft "Unverschämheit" und wechselt zu einer günstigeren Marke ?
Vielleicht.
Aber die meisten Leute werden sagen: Ist mir zu teuer, dieses Modell kaufe ich mir nicht. Dann kaufe ich einen anderen BMW. Weil ich die Marke geil finde.
Wegen der Preispositionierung eines Modells wechselt der Fan nicht seine Marke.
Wenn BMW sagen würde: Wir erhöhen morgen unsere Preise über alle Modelle um 25%, dann würde ich verstehen, dass der eine oder andere sagt:
Nicht mehr meine Marke.
Wer generell meint, dass alle Sinns zu teuer sind, sollte sich wirklich eine neue Marke suchen.
Wer nur das eine oder andere Modell zu teuer findet, hat meist immer eine Alternative.
Oder sollte sich zumindest das Objekt der Begierde mal genauer anschauen.
Und dann urteilen.