Hallo zusammen,
schon als Kind trieb ich mich gelegentlich auf kleinen Flugplätzen herum und schielte dabei immer auf die Handgelenke der Piloten, in der Hoffnung, erkennen zu können, was für eine Uhr sie trugen.
Besonders auffallend und faszinierend fand ich schon damals die markanten Fliegerchronographen von Sinn und Fortis.
Nun, Jahrzehnte später, habe ich mir, als Besitzer zweier Sinn-Fliegerchronographen und aktiver Privatpilot, tatsächlich auch einen Fortis-Fliegerchronographen gegönnt.
Da drängt sich förmlich ein direkter Vergleich der Uhren auf.
Konkret geht es um:
Fortis B-42 Official Cosmonauts Chronograph (grade neu gekauft)
Sinn 757 UTC (zwei Jahre alt)
Sinn 157 St Ty (21 Jahre alt)
Design:
Wenn ich einen möglichst perfekten Fliegerchronographen designen sollte, dann würde er so aussehen, wie die Fortis. Die Krönung wäre zwar ein Stoppminutenzeiger aus der Mitte, wie bei meiner alten Sinn 157, aber ansonsten finde ich die Fortis optisch unglaublich stimmig – ich kann gar nicht oft genug draufschauen.
Die alte Sinn 157 ist in der Machart des Zifferblatts der Fortis sehr ähnlich, das Gehäuse sieht aber durch die fehlende Lünette und ohne Bandanstoßhörner sehr eigenständig aus.
Die Sinn 757 UTC ist in dieser Hinsicht grobschlächtiger und konsequent auf perfekte Ablesbarkeit der Uhrzeit ausgelegt. Alles andere ist dem untergeordnet.
Beim Design ist die Fortis mein persönlicher Favorit.
Funktion:
Die UTC-Variante der Sinn 757 punktet natürlich mit genau diesem Plus, eben dass man die UTC-Zeit direkt ablesen kann. Für Piloten ganz klasse. Allein schon wegen dieses Zeigers nutze ich sie vorwiegend beim Fliegen. Das bietet die alte Sinn 157 ebensowenig wie die Fortis. Dafür haben beide den Sekundenzeiger, den ich bei der Sinn 757 UTC echt vermisse, den Wochentag (die Fortis leider nicht auf Deutsch) und eine Tachymeterskala. Prima.
Einen Drehring mit Minuterie haben die Fortis und die Sinn 757 UTC.
Die alte Sinn 157 hat keine Drehlünette. Die ist (nicht nur) in der Fliegerei aber recht hilfreich, um Zeitabschnitte zu ermitteln. Davon abgesehen bietet sie den gleichen Funktionsumfang wie die Fortis und zusätzlich die kleine 24-Stunden-Anzeige.
Sinn 157 und Fortis sind hier also gleichauf, während die Sinn 757 weniger Funktionen bietet, mit ihrem UTC-Zeiger aber ein (für mich) funktional wertvolles Alleinstellungsmerkmal in diesem Trio hat.
Ablesbarkeit:
Bei allen drei Uhren lässt sich die Uhrzeit sehr gut ablesen. Die Sinn 757 UTC ist, was die Uhrzeit betrifft, schon fast was für Blinde. Auch ihre Stoppzeit-Totalisatoren sind größer als bei der Fortis und der Sinn 157, bieten dadurch aber keinen Vorteil, denn die dicken weißen Zahlen „12“ und „6“ bilden, je nach Zeigerstellung, teilweise den Hintergrund für die ebenfalls weißen Zeiger. Nicht wirklich optimal.
Mit Chronographenzeigern in Orange hätte die Sinn 757 UTC diesen Stoppzeit-Ablesenachteil nicht. Aber dieser „Form follows funktion“-Philosophie wollte man bei Sinn wohl zugunsten einer homogeneren Gesamterscheinung nicht folgen.
Die orangen Stoppzeiger der Fortis und der Sinn 157 hingegen sind, wenn auch filigraner, vor ihrem schwarzen Hintergrund in jeder Stellung gleichermaßen gut zu erkennen.
Was die Stoppfunktion betrifft, bietet in diesem Trio aber die alte Sinn 157 mit ihrem zentralen, großen Stoppminutenzeiger wiederum ein Alleinstellungsmerkmal, mit der am besten und schnellsten zweifelsfrei abzulesenden Stoppzeit.
Alle drei Uhren haben entspiegelte Saphirgläser, um eine möglichst reflexfreie Ablesbarkeit zu gewährleisten. Die alte Sinn 157 nur innen, die beiden anderen beidseitig.
Die Wirkung der jeweiligen Entspiegelung ist aber sichtbar unterschiedlich. Hier kann die Fortis, deren Glas, je nach Lichteinfallwinkel, am stärksten reflektiert, nicht mit der alten Sinn 157 mithalten.
Die Entspiegelung der Sinn 757 UTC ist in ihrer Wirkung geradezu grandios.
Qualitätseindruck:
Alle drei Uhren wirken auf den ersten Blick ordentlich verarbeitet. Wer etwas genauer hinschaut entdeckt aber bei der Sinn 757 UTC ebenso wie bei der Fortis „Luft nach oben“. Die klapprige Lünettenrastung und -zentrierung der Sinn 757 überzeugt mich nicht. Hier wirkt die Fortis hochwertiger.
Die Sinn-Lünette rastet je Minute in beide Richtungen. Das macht Sinn und ist praktisch.
Die Fortis-Lünette rastet je halbe Minute. Dass man sie nur in eine Richtung drehen kann, hat beim Tauchen seine Berechtigung und meinetwegen auch im Weltraum, wenn es darauf ankommt, dass man nicht zu lange draußen bleibt. Aber zum Fliegen ist dies ein Nachteil und nervt.
Meine Sinn 757 wurde mit einem inakzeptabel schlecht lackierten UTC-Zeiger ausgeliefert.
Bei meiner Fortis befinden sich unzählige winzige Flecken unter dem Glas in der inneren Entspiegelungsschicht.
Was das Nichtfunktionieren der Endkontrolle/Ignorieren von Mängeln vor der Auslieferung betrifft, können sich also beide Hersteller die Hand reichen.
Die Fertigungsqualität von Gehäuse, Drückern, Krone und Boden wirkt bei allen Uhren gleichermaßen überzeugend. Das ist wirklich alles sehr ordentlich gemacht.
Beim Armband hingegen sehe ich die Sinn 757 UTC vorne. Sogar die Taucherverlängerung ist bei ihr als massives, gefrästes Scharnier ausgeführt. Bei beiden Sinn-Armbändern sind die Scharniere inklusive der Rastnasen allseitig bearbeitet.
Bei der Fortis wurden die Innenflächen des Hauptscharniers tatsächlich so unbearbeitet belassen, wie sie aus der Stanze fallen. Das sieht aus, wie es ist: einfach nur grob abgehackt.
Diese Oberflächenbeschaffenheit - auch wenn sie erst beim Öffnen der Schließe sichtbar wird - ist einer Uhr eines renommierten Schweizer Herstellers für diesen Preis meiner Meinung nach ebenso unwürdig, wie die klapprige Lünette bei der Sinn 757 eigentlich inakzeptabel ist.
Auch die Rastnasen der Fortis-Schließe wurden hier einfach durch Stanzen gequetscht. Das funktioniert zwar, sieht aber billig aus – auch wenn man es nur bei geöffnetem Armband erkennt.
Dafür hat das Fortis-Armband die feiner abgestufte Schnellverstellung als die beiden Sinn-Armbänder.
Bei der Krone verzichtet Fortis sowohl auf den Flankenschutz wie auch auf die Verschraubung.
Da wirkt mir die Lösung der alten Sinn 157 und insbesondere der 757 UTC auf jeden Fall hochwertiger.
Sinn verwendet bei der 757 UTC das Kaliber ETA Valjoux 7754, als UTC-Ableger des 7750, in der höherwertigen Variante „Top“, gegenüber der Variante „Elbalorè“, die, nach meinen Recherchen, in der Fortis verbaut ist. Auch hier geht der imaginäre Punkt also an Sinn.
Die alte 157 hat ja das Lemania 5100 verbaut. Wahrlich keine Schönheit, aber ein robustes und absolut zuverlässiges „Arbeitstier“.
Qualitativ überzeugt mich die 21 Jahre alte Sinn 157 am meisten. Sie stammt noch aus einer Zeit, in der anscheinend alle am Herstellungs- und Montageprozess Beteiligten ihre Aufgabe sehr ernst genommen und mit großer Sorgfalt ausgeführt haben. Ich kann an ihr, selbst bei akribischer Suche, keinen Makel erkennen.
Tragekomfort:
Die Fortis und die Sinn 757 UTC haben annähernd identische, üppige Abmessungen und sind mit jeweils knapp über 200 Gramm Gewicht echte Klopper.
Die Sinn 157 ist mit einem Gehäusedurchmesser von nur 40 mm und einem Gewicht von 156 Gramm etwas kleiner und deutlich leichter. Diesen Größen- und Gewichtsvorteil kann sie aber nicht in höheren Tragekomfort umwandeln, denn durch ihre Bauhöhe in Relation zum Durchmesser und das tief angebrachte Armband fühlt sie sich am Arm immer etwas kopflastig an.
Von „Komfort“ beim Tragen zu sprechen ist aber auch bei der Sinn 757 UTC und der Fortis grundsätzlich fehl am Platz. Bei allen Uhren merkt man jederzeit deutlich, was man da am Arm hat. Ich weiß nicht warum, aber bei der Fortis habe ich den Eindruck, dass sie einen Hauch besser an meinem Arm liegt, als die beiden Sinn.
Mein persönliches Fazit:
Bei der Sinn 757 UTC bekommt man Tegimenttechnologie, AR-Trockenhaltetechnik, Temperaturresistenztechnologie, Magnetfeldschutz und das Uhrwerk in Top-Ausführung. Das alles sind nicht nur Marketinggags sondern für die Praxis wertvolle Innovationen und Ausstattungen. Die dreijährige Garantie der Sinn 757 UTC lässt die Fortis endgültig ins Hintertreffen gelangen, denn diese bietet für einen vergleichbaren Preis nichts dergleichen. Sie ist technologisch auf dem Stand von vor einigen Jahrzehnten stehen geblieben.
Die alte Sinn 157 ist technologisch mit der Fortis vergleichbar und hat in dieser Hinsicht gegen die Sinn 757 UTC natürlich auch keine Chance.
Würde mein Vergleich hier enden, müsste ich mit folgender Erkenntnis schließen:
Es gibt keinen plausiblen Grund, eine Fortis B-42 zu kaufen!
Die Kauffrage stellt sich für die Sinn 157 nicht. Sie gibt es nicht mehr neu zu kaufen und sie ist längst ein Klassiker in der Sinn-Historie.
Die Sinn 757 UTC ist für mich beim Fliegen die geeignetste Uhr in diesem Trio, aber auch sie bietet nicht alles, was ich gerne hätte.
Mein Traum wäre eine Mischung aus den Dreien, nämlich:
Alle Technologien von der Sinn 757 UTC, mit UTC-Zeiger und Top-Werk.
Das Zifferblatt-Layout von der Sinn 157, mit ihrer genialen Stoppminute aus der Mitte
Das alles verpackt in der Gehäuseform und dem Design der Fortis B-42, mit deren Lünette (aber beidseitig drehbar) und Zeigerform.
Aber diese (meine) Traumuhr gibt es nicht und mein Vergleich endet hier auch noch nicht ganz.
Wer unter der Prämisse, sich ein richtiges mechanisches „Instrument“ ans Handgelenk zu ketten, das zum Fliegen taugt und auf das Kinder, die sich auf dem Flugplatz herumtreiben, einen Blick zu erhaschen versuchen, an die Auswahl eines Fliegerchronographen herangeht, der kommt natürlich nicht an Sinn vorbei. Aber auch nicht an Fortis, Damasko, Guinand oder …
Ich finde, Fortis baut mit dem B-42 Official Cosmonatus Chronograph eines der optisch stimmigsten und somit für mich persönlich begehrenswertesten echten Instrumente für’s Piloten-Handgelenk überhaupt.
Wenn das kein Grund ist, die Fortis zu kaufen! :-)
Gruß
mabel