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seoman

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1

Donnerstag, 28. August 2008, 15:59

Produktionsort Guinand (heute) und Sinn (früher)

Hallo in die Runde,

ich habe gelesen, dass die Guinand Uhren bei der Firma Ruefli aus Lengnau (CH) produziert werden.

Auf der Homepage von Guinand schreibt Herr Sinn über Guinand:

"Noch ein Wort zu GUINAND: Diese Schweizer Firma, 1865 von den Brüdern Guinand in Les Brenets im schweizerischen Jura gegründet, befindet sich seit 1996 in meinem Besitz. Berühmt wurde Guinand durch die Herstellung der ersten Schleppzeigeruhren und Chronographen. Seit 1953 arbeitete ich mit dieser Firma zusammen, die für mich bis 1994 alle Sinn-Uhren hergestellt hatte. Guinand war für seine Komplikationen weit bekannt und lieferte an viele namhafte Uhrenfirmen in der Schweiz."

Bedeutet dies nicht auch, dass auch schon früher (bis zum Verkauf von Sinn) die Sinn-Uhren von der Firma Ruefli kamen? Denn Guinand ist ja wohl lediglich ein Label, welches Herr Sinn erworben hat.

Danke und Grüße,

Henning

Chronometres

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2

Donnerstag, 28. August 2008, 19:26

Das ist ein sehr komplexes Thema. Auf den "alten" Sinn-Uhren stand vielfach (nicht bei allen Uhren) "Swiss-Made". Was dies bedeutet, geht aus der schweizer Gesetzgebung von 1971 hervor. Dort steht, dass eine Uhr diese Bezeichnung tragen darf, wenn ihr Uhrwerk schweizerisch ist (bedeutet: der Wert der Bestandteile aus der Schweiz muss mind. 50% betragen, es muss in der Schweiz zusammengesetzt und kontrolliert worden sein), sie in der Schweiz zusammengesetzt und die Endkontrolle dort durchgeführt wurde.

Nebenbei bemerkt ergibt sich im Umkehrschluss daraus eine Kennzeichnung auf dem Zifferblatt "Made in Germany", wenn eines dieser Kriterien nicht erfüllt wurde (siehe "heutige" Sinn-Uhren).

Was hat das nun mit Sinn zu tun? Im September 1990 hat Helmut Sinn dem Uhrenmagazin gegenüber dazu folgende Angaben gemacht: "...Auch in der Schweiz gibt es für Sinn immer wieder Probleme. Zum Beispiel mit der Qualität der angelieferten Teile. Vielfach muß aussortiert oder nachgearbeitet werden, um Sinnschen Qualitätsansprüchen zu genügen. Und dann sind da noch die Lieferzeiten. Bis zu 18 Monate."
Helmut Sinn ist ja auch (nicht nur für Sinn, sondern auch später für Guinand) immer -ich glaube einmal pro Woche- in der Schweiz in dieser Angelegenheit unterwegs gewesen.

In wie weit nun ganze Uhren bei Ruefli hergestellt wurden, spielt m.E. nach keine Rolle, da Helmut Sinn bereits 1990 über mehrere Uhrmacher und eigener Versuchsabteilung verfügte (Hydro). Bei einem "Private Label" wäre dies unnötig. Hinzu kommt noch, dass die Entwürfe und technischen Vorgaben ja in vielen Fällen von Sinn kamen. Ich schließe nun daraus, dass auch schon da die Uhren zwar das Kriterum "Swiss-Made" hatten, aber niemand verbietet ja die anschließende Demontage und Veränderung einer solchen Uhr. Dies berührt ja nicht die ursprüngliche Erfüllung der schweizer Gesetzgebung. Wer dies heute noch macht, ist Chronoswiss. Die haben eine schweizer Firma, die ausschließlich für Chronoswiss herstellt. Die Ausschließlichkeit und die Ausführung nach eigenen Entwürfen des Kunden negiert hier die Bezeichnung "Private-Label", da beim Private Label ja eine Firma (z.B. Schwarz-Etienne) Uhren nach eigenen Entwürfen herstellt und mit dem Label des jeweiligen Kunden versieht.

Da früher die Bezeichnung "Swiss-Made" ein erstrebenswertes Qualitätsmerkmal war, haben viele Hersteller zu solchen "Kunstgriffen" tendiert um dies auf das Zifferblatt schreiben zu können. Tatsächlich wird heute -nicht zuletzt durch die Glashütter Uhrenindustrie- das Label "Made in Germany" bei Uhren wieder höher gehandelt und alle versuchen nun dies auf´s Zifferblatt zu bringen (zumindest für den deutschen und asiatischen Markt).

Anders ausgedrückt: Die damalige Motivation für eine schweizer Fertigung war wahrscheinlich der Grund für diese Verfahrensweise. Was da wer genau gefertigt hat, kann wohl nur ein Insider sagen.
Die heutige Interpretation dieser Vorgehensweise ist jedoch meist mit einem Negativ-Touch verbunden; m.E. nach zu Unrecht.
Gruß Gero

derserioese

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3

Freitag, 29. August 2008, 17:21

Hier mal ein Link zu einem Nachbarforum.

Fertigung Guinand
Gruss Thomas


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bungy3000

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4

Freitag, 29. August 2008, 22:40

Guinand ist m.E. private Label.

Nur wenige Marken werden heute noch von ihrem ursprünglichen Inhaber in den ursprünglichen Unternehmen hergestellt. Und: Das meiste Geld zahlt man für den Namen und nur einen bescheidenen Rest für die Technik.
"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben." (Alexander von Humboldt)


Chronometres

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5

Samstag, 30. August 2008, 00:01

Zitat von »"bungy3000"«

Guinand ist m.E. private Label.

Nur wenige Marken werden heute noch von ihrem ursprünglichen Inhaber in den ursprünglichen Unternehmen hergestellt. Und: Das meiste Geld zahlt man für den Namen und nur einen bescheidenen Rest für die Technik.


So einfach ist es m.E. nach nicht. Zwischen Schwarz und Weiß existieren eine ganze Menge Zwischenstufen, genau wie zwischen Private Label und Manufaktur. Ich würde Guinand Guinand auf einer Scala von 1 (Private Label) bis 10 (Manufaktur) bei 3 und Sinn bei 5 einordnen.
Gruß Gero

bungy3000

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6

Samstag, 30. August 2008, 22:59

Zitat von »"Chronometres"«


So einfach ist es m.E. nach nicht. Zwischen Schwarz und Weiß existieren eine ganze Menge Zwischenstufen, genau wie zwischen Private Label und Manufaktur. Ich würde Guinand Guinand auf einer Scala von 1 (Private Label) bis 10 (Manufaktur) bei 3 und Sinn bei 5 einordnen.


Bitte stell´ die Stufen 1 bis 10 kurz mit Worten dar.
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Chronometres

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7

Sonntag, 31. August 2008, 01:10

Ja natürlich, gerne:

Als 1 sehe ich ein reines Private Label im klassischen Sinn. Ein Händler kauft ein Modell eines Herstellers und lässt sein Logo auf das Zifferblatt drucken. Er beschäftigt keine Uhrmacher oder Techniker und verändert nichts an der Ware. Ein reiner Vertrieb.

Als 2 würde ich einen Händler beschreiben, der eigene Ideen ausschließlich bei einer Fremdfirma ausführen lässt und zumindest dafür einen Techniker oder Uhrmacher beschäftigt. Er führt keinerlei eigene Arbeiten durch. Entwicklung und Vertrieb.

Eine 3 kann ich einem Händler zuschreiben, der eigene Ideen durch Teilefertigung bei mehreren Betrieben und Endfertigung in einem Betrieb durchführen lässt. Er hat Uhrmacher und Techniker für Entwicklung und Servicearbeiten. Entwicklung, Vertrieb und Service. Quasi ein Entwickler und Händler.

Die 4 ist für mich ein Händler, der ausschliesslich eigene Ideen und Entwicklungen durch Fremdfirmen durchführen lässt und mit zugekauften Teilen in einem Betrieb montieren lässt, wobei er praktisch Varianten des Produktes selbst in eigener Werkstatt montiert. Der Service und die Reparatur wird im eigenen Geschäft durchgeführt. Entwicklung, Teilmontage, Vertrieb und Service. Durch die Teilmontage kann man hier m.E. nach auch nicht mehr von einem reinen Händler sprechen.

5 bedeutet ein Hersteller, der eigene Entwicklungen durch Teilekauf, die nach seinen Parametern bei den verschiedenen Fremdfirmen gebaut und der dann in der eigenen Firma diese Teile zur kompletten Uhr montiert. Die Reparaturen und der Service finden ausschliesslich in seiner Firma statt. Entwicklung, Komplettmontage, Vertrieb und Service.

Für eine 6 ist zumindest noch zusätzlich zur 5 eine Firma, die exklusiv nur für den Händler eine Teilefertigung durchführt und nicht für andere Uhrenhersteller tätig ist. Entwicklung, Exklusivfertigung, Komplettmontage, Vertrieb und Service. ( Anm: Bei Sinn bin ich mir in diesem Punkt nicht sicher -SUG fertigt ja auch für andere Firmen-)

Eine 7 ist ein Hersteller, der eine eigene Fertigung (Werkteile und/oder Gehäuse) besitzt und seine Entwicklungen durch Teilezukauf komplettiert. Service und Reparatur werden selbst durchgeführt. Entwicklung, Fertigung, Montage, Vertrieb und Service.

Als 8 würde ich Hersteller beschreiben, die zusätzlich zur 7 auch eigene Werke entwickeln (nicht auch komplett fertigen) und eigene Gehäuse fertigen. Entwicklung von kompletten Werken, Fertigung, Montage, Vertrieb und Service. Dies wäre nach allgemeiner Einschätzung wohl schon eine Manufaktur.

Eine 9 ist eine Manufaktur, die zusätzlich zur 8 auch Werke fertigt und nur noch Teile in geringer Menge zukauft (z.B. Federn). Hier werden auch Revisionen der Uhr komplett durchgeführt. Entwicklung, Fertigung,
Montage, Vertrieb und Service.

10 ist demnach eine Manufaktur, die alle Teile selbst herstellt, montiert, vertreibt, repariert und revisioniert. Nur Lederbänder werden noch zugekauft.

Dies ist natürlich nur ein recht persönliche Einstufung, die nicht den Status der Allgemeingültigkeit erhebt. Ich habe auf diese Weise aber meinen persönlichen Überblick über die Uhrenlandschaft, obwohl die Grenzen immer sehr schwer zu ziehen sind, da hier sehr viel "verschwimmt". daher habe ich auch auf "Schlüsselkriterien" der Industrie, wie Einschalung und Tochterfirmen verzichtet. Wie gesagt: viel Raum zwischen Schwarz und Weiß!

Die Einstufung der Fachbegriffe zur Fertigung, wie die Industrie sie beschreibt, habe ich hier zusammengefasst. Das ich damit persönlich nicht so zufrieden bin, habe ich da schon geschrieben.

Nach welchen persönlichen Kriterien stufst du denn die Marken ein?
Gruß Gero

bungy3000

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Sonntag, 31. August 2008, 13:22

Sehr ausführliche, differenzierte und interessante Darstellung. Danke. Ich mache es mir ein wenig einfacher und entscheide anhand einer einfachen Regel: Ist (mir) die Uhr den Kaufpreis wert. In die Beantwortung dieser Frage fließen viele Faktoren ein, die aber alle irgendwie auf einen zurückgehen: Bauchgefühl.
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Sonntag, 31. August 2008, 17:54

Zitat von »"bungy3000"«

Ich mache es mir ein wenig einfacher und entscheide anhand einer einfachen Regel: Ist (mir) die Uhr den Kaufpreis wert. In die Beantwortung dieser Frage fließen viele Faktoren ein, die aber alle irgendwie auf einen zurückgehen: Bauchgefühl.


Nun, dies ist mit einer Ausnahme bei mir doch genau so:
Ich setzte das Wort "mir" nicht in Klammern.
Gruß Gero