Sinn-Uhrenforum.de

Am vorigen Wochenende war wieder vorgezogene Bescherung. Eine Uhrenbörse lockte mich wie ein frischer Hundehaufen die Fliege! Ich begab mich zu nachtschlafener Zeit (Sonntag 10.00h) in Richtung Ausstellung.

Die Börse fand in einem recht ansehnlichen Herbergsbetrieb der gehobenen Klasse statt. Nach der Entrichtung des Wegezolls von 8,-€ schritt ich in den Ausstellungssaal, der dank hochfloriger Auslegeware jedes Schrittgeräusch im Keim erstickte. Ich stellte mich in die Mitte des Saales und erhob meine Stimme zu der Ankündigung: "Ich bin da, wir können beginnen!" Eigenartiger Weise war die Reaktion recht gemischt.
Da ich eine gefestigte Persönlichkeitsspaltung besitze, habe ich mich nicht irritieren lassen und bin flugs hurtigen Schenkels zu einem Verkaufsstand geeilt, dessen Verkäufer mich an den heimischen Marktschreier des donnerstäglichen Fischmarktes erinnerte. Er roch auch so. Sein Angebot war überwältigend! Drei seltene Rolex mit roter Zifferblattbeschriftung und eine Orange Hand, beerdigt in einer Zigarrenkiste, warteten auf ihre Reanimation durch mich!
Bevor ich dazu kam, ihm mein Angebot zur kostenfreien Entsorgung der Stücke durch mein eigenes Verklappungsunternehmen zu offerieren um mich dann an seinem zweifellos dankbaren Ausführungen zu erfreuen, streckt er mir eine Locman mit den Worten "Italy, good, rare, sheep" entgegen. Seit wann tragen Schafe Uhren? Und dann noch welche, deren Zifferblatt mit Fensterglas aus dem Dogenpalast von Venedig bedeckt ist?
Dieser Ignorant weiß nicht einmal, dass eine solche Rarität mehr als 80,-€ Wert ist. Nein, keine Chance, so einer verlangt für meine Aufopferungsbereitschaft hinsichtlich seiner Rolex hernach noch Geld! Ich strecke meinen Zeigefinger in Richtung Decke und rufe: DAA! Als er erwartungsgemäß seinen Blick von mir zur Decke wendet, ducke ich mich in die Auslegeware und robbe zum nächsten Stand.

Das war knapp! Dort erwartet mich eine Auswahl deutscher Militäruhren. Auf meine Bitte, den Junghans-Chrono der Bundeswehr in die Hand nehmen zu dürfen, erfolgt keine Reaktion. Ich bin hartnäckig und wiederhole meine Bitte ob der vorher gemachten Erfahrung auf italienisch. Jetzt erfolgt die Reaktion in Form eines polnischen Monologes unter lebhafter Beteiligung der oberen Extremitäten. Die Uhr gibt er mir immer noch nicht. Ich verlasse ihn mit militärischem Gruß.
Der nächste Stand ist vielversprechend. Ein Schaldradchrono mit kupferfarbenem Zifferblatt von ca. 1948 läßt sämtliche Körperflüssigkeit schlagartig aus meinem Mund verschwinden. Ich versuche nun, mich mit Gesten verständlich zu machen. Der Verkäufer reagiert erst auf meine gestammelte Bitte um kurzfristige Inbesitznahme mit einem "Da!" Ja sicher da! Genau da! Das scheint das einzige deutsche Wort zu sein, dass er versteht, da er ansonsten russisch spricht. Es klappt! Er händigt mir die Uhr aus! Ich unterdrücke den Impuls wegzulaufen mit der Vorstellung, dass durch die Auslegeware meine Bewegungen soweit gedämpft werden, dass es bei einer Flucht in Zeitlupe bleiben wird. Also bleibe ich stehen und frage nach dem Preis. 320,-€ will er haben. Jetzt kehrt die Flüssigkeit tsunamiartig in meinen Mund zurück. Ich gebe ihm schnell die Uhr zurück und begebe mich in den Fäkalientrakt um mein Sabbern in den Griff zu bekommen.

Als mir dies leidlich gelungen ist, will ich mich wieder in den Ausstellungssaal begeben. Auf dem Weg dahin haben inzwischen die "Kofferhändler" ihre strategische Position bezogen und halten mich ein wenig auf. Einer hat Zwei Ersatzgläser für das Rolex-Modell, welches an der Trieste befestigt in den Marianengraben getaucht ist. Er trägt sie direkt vor den Augen. Meine Bitte um Erwerb dieser Gläser endet in dem Geschenk von vier Rolex-Federstegen. Ich habe das Gefühl, er wollte mich loswerden.

Als ich den Saal dann erneut betreten will, ist die Tür geschlossen und die Börse vorbei. Mir kommen die Gedanken, wie dem Hai im Karpfenteich: ICH BRAUCHE MEHR ZEIT!

Einfach nur :thumbsup:

Gruß Steffen

Warst du in Prag auf der Uhrenbörse

Zitat von »joerg«

Warst du in Prag auf der Uhrenbörse

Nein, kurz vor Prag, in Frankfurt/Main.

Hallo Gero,

ein Meisterwerk der narrativen Berichterstattung.

Gruß

VP 142

Zitat von »HappyDay989«

Meine Güte, war diese Uhrenbörse wirklich so interessant, wie Du sie hier beschreibst? Ich muß bei einer anderen gewesen sein...

Aber wieder mal ganz großes Kino, Gero! :thumbsup:

Nein, warst du nicht. Aber ich habe eine andere Sichtweise. Dadurch hatte das Forum etwas schmunzeln (hoffe ich). So war diese gruppendynamische Übung wenigstens zu etwas gut!

Vielen Dank für die Blumen!

Edit: Außerdem hängt meine Sinn jetzt an Rolex-Federstegen. Das ist so...EDEL!