Sinn-Uhrenforum.de

In meinem Leben als bekennender -und geächteter- Mechanikfan bekomme ich immer wieder Fragen im Zusammenhang mit unserem Hobby zu Gehör gebracht, die in ihrer Konsistenz ein klares Bild des Fragenden und dessen Absichten zeichnen. Es handelt sich hier um Fragen von Menschen (sicher bin ich mir da allerdings nicht immer), die nunmehr beabsichtigen, sich ihre erste Mechanikuhr zu kaufen. Die Beweggründe sind dabei in neun von zehn Fällen keineswegs Interesse an der Mechanik oder der Uhr, sondern sollen den Habitus der eigenen Person widerspiegeln. Ungeachtet des damit einhergehenden Bildes einer kranken Gesellschaft erreicht das Gekreische des Affen im Regenmantels auf meiner Schulter dabei oft deutlich die Schmerzgrenze, da ihre Wahl zum "Erstkontakt" auf mich gefallen ist und sie sich ja vor dem Kauf erstmal "schlau machen" müssen.
Da mein Nervenarzt mir Linderung durch Konfrontation verordnet hat, konfrontiere ich euch also mal mit meinen "Lieblingsfragen" und den entsprechenden Antworten.

1. Warum kostet die soviel?
Diese Frage soll die zur Schau getragene Motivation definieren helfen und sichert bei der Zurschaustellung des erworbenen Objektes Uhr eine gewisse Grundkompetenz für diverse gesellschaftliche Anlässe.

Meine Lieblingsantwort:
Nun, die Mechanik einer Armbanduhr besteht aus zahlreichen winzigen Teilen. Die kosten nix, da sie größtenteils aus den Resten des neujährlichen Zinngießens gewonnen werden, und daher wirklich keinen nennenswerten Materialaufwand darstellen. Die Menschen (sicher bin ich mir da allerdings nicht immer) aber, welche diese Uhren zusammenbauen, müssen enorm kleine Hände haben. Davon gibt es nun mal nur eine sehr limitierte Auflage. Wenn man sich nun vorstellt, dass die meisten Uhrmacher deshalb von der Industrie abgeworbene Jockeys sind, die nur mit Hilfe von Therapien und Drogen die nötige Ruhe für den Job erlangen konnten, werden die Kosten schon verständlicher.

2. Ich habe gehört, die (Mechanikuhren) sind ungenauer als meine Quachzu... (nein, nein, nein! Das Wort kommt nicht über meine Finger!).
Diese Frage stellt den Versuch dar, die bisher selbst vorgetragenen Argumente gegenüber Mechanikuhrenträgern zu entkräften (Ein Porsche ist solange unsinnig und dekadent, bis man sich selbst einen leisten kann).

Meine Lieblingsantwort:
Sehen wir uns doch mal die Nomenklatura der Mechanikuhrenträger an: Alles von Ihnen bewunderte Persönlichkeiten, um deren Anerkennung sie sich bei gesellschaftlichen Anlässen mit ihrem Handgelenksschrott bisher vergeblich bemüht haben. Glauben sie ernsthaft, diese Leute tolerieren mangelnde Präzision? Neiiin, diese Leute haben die echte, von einer Elite der Gesellschaft erfolgreich verborgene wahre Uhrzeit. Die Erde dreht sich nicht so präzise, wie man dem Bodensatz der Gesellschaft (ja, dem Fragenden) weismachen möchte.
Die vermeintlichen Ungenauigkeiten einer mechanischen Uhr sind dem wahren Zeitverlauf angeglichen und damit natürlich sehr viel genauer als eine Dings, äh...ja.
Lassen sie sich nichts vormachen, die wahre Präzision kann nur eine Mechanikuhr liefern, und damit den Zugang zur Zeit-Nomenklatura der Gesellschaft sichern.

3. Welche Marke soll ich kaufen?
Diese Frage lautet in der Übersetzung: Was verschafft mir die erhoffte Anerkennung?

Meine Lieblingsantwort:
Ganz klar: ROLEX. Die hat genau den Bekanntheitsgrad, der ihnen Fragen zu 1 und 2 erspart. Damit aber vor allem die Wiedergabe der von mir gegeben Antworten und der damit zwangsweise einhergehenden Nachbarschaft zu meiner geschätzten Zelle in der Nervenheilanstalt. Ich möchte sie aufgrund ihres beschränkten Verstandes nämlich nicht in meiner Nähe haben.

Es folgt dann in den meisten Fällen ein überschwänglicher Dank für die große Hilfe, verbunden mit dem Versprechen, die Ratschläge eines solch kompetenten Menschen (da bin ich sicher) umgehend in die Tat umzusetzen.
So viel Glück lässt mich immer wieder schwach werden, den Affen im Regenmantel verstummen, und mich beim nächsten Mal wieder von meiner hilfsbereiten Seite zeigen.

Nachwort: Wenn einer von euch diese Fragen ebenfalls gestellt bekommt, sollte er vor der Antwort sicherstellen, dass der Fragende diese Art der Hilfestellung auch verdient.

Besser hätte man es nicht schreiben können!