Mein persönliches Unwort des Jahres lautet "handwerklicher Fehler."
Sprach man früher in Wirtschaft und Politik von völliger Ideen- und Konzeptionslosigkeit, von Dummheit, Unfähigkeit, eklatanten Patzern und einer völlig mangelhaften Planung und Organisation, so wird dies heutzutage verniedlicht. :mad:
Setzen z. B. ganze Generationen von Kultusministern, Staatssekretären, Ministerialräten usw. die Schul- und Hochschulpolitik eines ganzen Landes solange in den Sand, bis wirklich nichts mehr geht und es immer offensichtlicher wird, dass hier die Zukunft unseres Landes verspielt wird (oder bereits wurde?), so hätte man früher zurecht von Dilettantentum größtmöglichen Ausmaßes gesprochen und die dafür Verantwortlichen genau als die Versager bezeichnet, die sie auch sind. Heutzutage räumen die Verantwortlichen "handwerkliche Fehler" ein und gehen zur Tagesordnung über. Denn "handwerkliche Fehler" sind ja nicht so schlimm. Es wird suggeriert, dass im Großen und Ganzen alles in Ordnung sei, nur ein paar kleine Detailverbesserungen erforderlich wären. Also: die Titanic schrammte soeben an dem berüchtigten Eisberg entlang, die komplette Flanke wurde dabei aufgerissen, und der Kahn wird in den nächsten zwei Stunden unrettbar sinken. Und der Kapitän erklärt den beunruhigten Passagieren, der Steuermann habe nur einen "handwerklichen Fehler" gemacht, es bestehe kein Grund zur Sorge.
Irgendwie hatte es im Osmanischen Reich auch etwas für sich, dass der Sultan unfähigen Verwaltungsbeamten nur eine lange
seidene Schnur zu senden brauchte, und die wussten sofort, welche Konsequenz sie aus ihren "handwerklichen Fehlern" zu ziehen hatten... :gidee: