Ich hoffe, auch dieses Mal werden sich ein oder zwei User diesen Tipp wenigstens mal durchlesen und als Anregung verstehen. Denn als solche ist es auch gedacht, nicht als Anleitung zum sklavischen Nachmachen.
Es geht eigentlich nur um die fotografische Bewältigung einer einzigen Aufgabenstellung, und dabei möchte ich euch ein bisschen weiterhelfen:
Man hat eine schöne Uhr, möchte sie gerne vor einem entsprechenden Hintergrund gekonnt in Szene setzen, doch leider, leider befindet man sich gerade zuhause und nicht irgendwo an einer wunderschönen Sehenswürdigkeit oder in den Tropen oder oder.
Das Wetter spielt bedauerlicherweise auch gerade nicht mit, und obwohl man aus dem letzten Urlaub noch ein paar tolle Fotos hat, vor der sich die Uhr richtig was hermachen würde, scheitert es daran, dass man erstens nicht über eine semiprofessionelle Ausstattung wie eine Lichtbox/ein Fotozelt und ein paar Fotoleuchten verfügt, mit deren Hilfe man wenigstens die Uhr so aufnehmen kann, dass sie sich hinterher problemlos ausschneiden und in ein anderes Foto einsetzen lassen würde und zweiten ist man kein Photoshop-Profi, der gekonnt die Aufnahme einer Uhr im Lichtzelt mit der des Sandstrands unter Palmen (oder stellt euch hier einfach euer persönliches Traumszenario vor) so kombiniert, als sei die Uhr auf dem Strand fotografiert worden.
Ferner haben die ganz
Faulen Pragmatischen unter euch auch keine Lust, jetzt noch die Uhr anzuhalten und die Zeiger zu verstellen, um eine symmetrische Aufteilung des Zifferblatts zu erreichen. Das macht nun wirklich nicht allzu viel, solange man seine Fotos nicht gerade zu einem Moment aufnimmt, wo alle Zeiger übereinander stehen oder dicht gedrängt zusammen. Aufnahmen um 20 vor acht und 40 Sekunden oder um kurz vor zwölf mit dem Sekundenzeiger kurz vor oder nach der vollen Minute sehen bei einer analogen Uhr nun mal aus wie gewollt und nicht gekonnt... Also bitte darauf achten, dass die Zeiger wenigstens halbwegs so stehen, dass man bei der Betrachtung des Zifferblatts keine Gleichgewichtsstörungen bekommt.
Und schließlich und endlich fühlen sich dann gerade diejenigen, die nicht über eine digitale Spiegelreflexkamera mit dem entsprechenden Zubehör wie Stativ, Makroobjektiv, Polarisationsfilter, Fernauslöser, ggf. ein manuell konfigurierbares Blitzgerät mit Diffusor, Fotoleuchten, Reflektoren, Lichtzelt oder Lichtbox usw. verfügen, schnell versucht, sich erst gar nicht an solchen Situationen zu versuchen, weil man die ja angeblich nur bewältigen kann, wenn man eine Ausrüstung wie oben beschrieben sein Eigen nennt. :rolleyes:
Liebe Leute, ich weiß, das klingt jetzt sehr hart, aber: Es ist völliger Unsinn, Fotografie an der Kamera oder den Objektiven festzumachen! Fotografieren ist erst ganz zuletzt eine Frage der technischen Ausrüstung.
In erster Linie ist Fotografieren eine Frage von Kreativität, Experimentierfreudigkeit und der Bereitschaft, sich mit einer Aufgabe bzw. einer Situation geistig auseinanderzusetzen und zu einer Lösung zu gelangen. Natürlich muss ein Foto technisch in Ordnung sein, d. h., die Belichtung muss stimmen, das Motiv muss ausreichend formatfüllend und scharf abgebildet sein und die Aufnahme darf nicht verwackelt sein. Das sind Selbstverständlichkeiten, die sich gerade mit modernen Digitalkameras erheblich leichter umsetzen lassen (zumindest was richtige Belichtung, korrekte Scharfeinstellung und Verwacklungsfreiheit angeht) als zu der Zeit, als man an Kameras noch alles von Hand einstellen musste (ja, mit solchen "Dinosauriern" habe ich vor ungefähr 40 Jahren mit der Fotografie angefangen
).
So, nun genug der Vorrede, gehen wir jetzt
in medias res, wie der alte Horaz so schön zu sagen pflegte, wir springen jetzt einfach mal ins kalte Wasser (und stellen dabei fest, dass es doch eigentlich recht gemütlich warm ist
):
Mein Uhrenfoto "Armbanduhr vor Kokerei Zollverein bei Nacht" entstand, ihr habe es schon geahnt, weder nachts noch vor der Kokerei Zollverein (und die Scherzkekse unter euch verkneifen sich jetzt auch bitte, dem Satz noch die Worte "...und stellt auch keine Armbanduhr dar" hinzuzufügen, OK? ). Es gelangten auch keine professionellen Hilfsmittel oder Tricksereien per Photoshop zum Einsatz. Der "Trick" ist eigentlich ganz einfach und er ist nicht einmal ein Trick, denn es handelt sich keineswegs um ein manipuliertes Foto, sondern nur um die Aufnahme einer Uhr vor einem entsprechenden Hintergrundbild auf einem Computermonitor.
Als "Zutaten" für ein improvisiertes
Tabletop-"Fotostudio" gelangten nur völlig banale Dinge zum Einsatz:
1 Schreibtisch (ein Ess- oder Küchentisch oder die Arbeitsplatte in der Küche tun es auch)
1 Netbook mit mattem 10,1"-Display, per Netzteil am Strom, damit es nicht während der Aufnahme unerwartet in den Energiesparmodus flüchtet (statt Netbook-Display geht auch jeder andere Computermonitor, auf dem sich euer gewünschtes Hintergrundbild darstellen lässt)
1 LED-Taschenlampe (fast jede andere Taschenlampe funktioniert selbstverständlich auch)
1 Glasscheibe, ca 30 x 20 cm, Überbleibsel aus einem längst entsorgten Bilderrahmen (--> notfalls also einen vorhandenen Bilderrahmen "entglasen" und das Glas zweckentfremdet einsetzen
)
1 matte Klarsichthülle im Format A4 (so etwas hat wohl jeder zuhause)
4 etwa gleich dicke Bücher (ich hoffe, ihr lebt nicht in einem 2-Bücher-Haushalt, ihr wisst schon: 1 x die Bibel und 1 x Doktor-Oetkers-Kochbuch. Und ja, auch andere Bücher als die Werke der Duden-Redaktion eignen sich als Unterlage.
)
Was den Aufbau im improvisierten "Fotostudio" angeht, so zeigen die beiden Fotos, die ich vom Aufbau gemacht habe, eigentlich mehr als eine seitenlange Beschreibung es vermag ("ein Bild sagt mehr als 1000 Worte"):
Zunächst der Blick vom Standpunkt des Fotografen auf die Szenerie:
und dann
der gesamte Aufbau aus der "Vogelperspektive".
Als Kamera gelangte meine bewährte Nikon D90 mit dem ebenso bewährten 60-mm-Nikkor-Makroobjektiv und einem zirkularen Polarisationsfilter zum Einsatz, die Kamera war natürlich auf einem Stativ montiert, einem Cullmann Magnesit 522 mit 3-Wege-Schwenkkopf. Das hört sich jetzt sehr professionell und hochspezialisiert an. Allerdings kann ich euch versichern, dass ich die Aufnahme durchaus in ähnlicher Güte mit einer Superzoom- oder Kompaktkamera hinbekommen hätte, z. B. mit der kleinen Panasonic Lumix FX-37, mit der ich auch die beiden Szenenfotos gemacht habe. Dazu hätte ich nur etwas mehr mit den Einstellungen und der Beleuchtung herumspielen müssen. Ich habe den gesamten Aufbau bewusst nach dem
KISS-Prinzip gestaltet, nämlich alles so einfach wie möglich zu halten, damit man zunächst einmal schnell und unkompliziert zu brauchbaren Ergebnissen gelangt.
Wichtig ist nur, nicht so viel Licht auf den Monitor gelangen zu lassen, dass das Hintergrundbild überstrahlt wird. Bei meiner Aufnahme hatte ich den Raum etwas abgedunkelt und nur gezielt sehr wenig Licht von der Seite (Fenster) und von unten (Taschenlampe) eingesetzt. Wichtig ist es auch, die "Blitzautomatik" (falls vorhanden) an der Kamera auszuschalten, denn ein grelles Blitzlicht, das aus kürzester Distanz gnadenlos ein Objekt aus Metall und Glas mit einer Überdosis Photonen bombardiert, ist das letzte, was man in einer solchen Szenerie gebrauchen kann. Um auch den
Faulen Pragmatikern entgegen zu kommen, habe ich auf das Verstellen der Uhrzeit bzw. das Anhalten der Uhr komplett verzichtet. Nur das Datum und den GMT-Zeiger habe ich verstellt, aber die während des laufenden Betriebs wieder zurückzustellen, ist ja nur eine Angelegenheit weniger Sekunden. Das heißt, ihr könnt anhand des Bildes sogar sehen, wann ich die Aufnahme gemacht habe, nämlich exakt zu der Zeit, die die Uhr anzeigt.
Das fertige Bild könnt ihr hier bestaunen:
Dauer-Thread: Welche Uhr habt ihr heute an? [Pics]
Ganz speziell für die, die jetzt zu
faul pragmatisch
zum Thread-Wechseln sind, bitte sehr, ich präsentiere euch das "Foto des Tages"
gerne auch hier:
Die ganze Aktion hat, von der ersten Idee bis zur letzten von insgesamt drei Aufnahmen, knapp zehn Minuten gedauert, und diese Zeitspanne beinhaltet neben dem Aufbau des "Tabletop-Studios", der Kamera auf dem Stativ (inkl. Objektivwechsel und Aufsetzen des Polarisationsfilters) und dem Abwischen und Drapieren der Uhr auch das Hochfahren des Netbook und das Überspielen des entsprechenden Hintergrundbildes per USB-Stick von meinem Desktop-PC auf das Netbook.
Natürlich sehe ich der Aufnahme an, dass sie "aus der Lameng" entstanden ist. Mit etwas mehr Vorbereitung und Planung hätte ich noch einige Sachen verbessert, vor allem wäre der Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Vordergrund und Hintergrund nicht so scharf ausgefallen, weil ich z. B. ein hellgraues dünnes Papier in die Klarsichthülle gelegt hätte. Die Nachbearbeitung per Software (nix Photoshop, bloß Nikons proprietärer
RAW-Konverter Capture NX 2 gelangte zum Einsatz) hat übrigens nur wenige Minuten gedauert, vom Überspielen der Daten von der Kamera auf den PC bis zum fertigen Bild. Denn tatsächlich habe ich nichts weiter getan, als die Gesamthelligkeit der einen gut gelungenen Aufnahme leicht zu reduzieren und die an der Grenze zum Überstrahlen befindlichen Bereiche im Vordergrund noch etwas stärker abzudunkeln; früher hätte man im Fotolabor dazu "abwedeln" gesagt.
(Die anderen beiden Aufnahmen habe ich einfach gelöscht. Bei der ersten hatte ich zu viel Licht von der Seite, so dass das Hintergrundbild auf dem Monitor überstrahlt wurde und nicht mehr gut sichtbar war, beim zweiten Foto hatte der Autofokus den Fokussierpunkt auf den Monitor hinter der Uhr gesetzt, dadurch war das Hintergrundbild scharf, die Uhr aber etwas unscharf. Erst die dritte Aufnahme "saß" so, wie ich mir die Szene auf die Schnelle vorgestellt hatte.)
Man kann jetzt noch mit verschiedenen Beleuchtungsmöglichkeiten experimentieren, mit verschiedenen Hintergrundbildern (hellere eignen sich aufgrund des geringeren Kontrastumfangs (Differenz zwischen dem hellsten und dunkelsten Lichtwert) besser, gerade wenn man mit einer Kompaktkamera fotografiert. Man kann in die matte Klarsichthülle auch ein Stück dunkles oder mittelgraues Papier legen, um z. B. den Lichteinfall von unten zu dämpfen und den Untergrund dunkler erscheinen zu lassen, oder auch farbiges Papier, wenn man einen bestimmten Effekt erzielen möchte. Man kann statt einer Klarsichthülle auch Stoff, Leder oder, oder ... verwenden. Eurer Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Nur eines dürft ihr auf gar keinen Fall, weil dies einen schweren Verstoß gegen das Urheberrecht darstellt: Egal wie gut euch ein Foto gefällt, das ihr selbst nicht gemacht habt, ihr dürfte es ohne die Zustimmung des Fotografen bzw. des Inhabers der Bildrechte niemals nicht und überhaupt nie nicht, also unter gar keinen Umständen als Hintergrund verwenden.
Statt ein Stativ zu verwenden kann man übrigens schwere Bücher auf der Sitzfläche eines vierbeinigen Stuhls stapeln, bis man entsprechend über der Tischplatte ist. Statt die Kamera auszurichten, kann man besser den Bildschirm und/oder die Uhr ausrichten, usw. Wer nicht über einen Fernauslöser verfügt, um längere Belichtungszeiten verwacklungsfrei auszulösen, der verwendet halt den Selbstauslöser mit fünf bis zehn Sekunden Vorlaufzeit, das habe ich früher auch so gemacht. Man kann, um Lichtreflexe und unerwünschtes Streulicht auf dem Monitor zu vermeiden, mit passend zugeschnittenen Pappstreifen und etwas Klebeband eine sogenannte
Monitorblende für den Bildschirm basteln, das geht sehr schnell und ist recht effektiv.
Wer sich unsicher ist, kann ja gerne hier fragen, ich werde dann helfen so gut ich nur kann. Und versprochen, die Anschaffung von Fotoausrüstung wird dabei solange nicht zu meinen Empfehlungen gehören, wie statt dessen der Einsatz haushaltsüblicher Hilfsmittel noch sinnvoll möglich ist, ohne die Bildqualität allzu sehr zu kompromittieren.
Viel Erfolg beim Fotografieren und allzeit "gut Licht" wünsche ich euch!