Also machte ich mich auch im fernen Osten auf den Weg diese deutschen Garanten ausfindig zu machen. Zunächst folgte ich dem offiziellen Pfad, der aus Frankfurt vorgegeben war und landete im tiefsten Kowloon (das ist der Teil Hong Kongs, der auf dem Festland liegt). Hier, so fern ab von all den uhrenüberfluteten Schaufenstern der Nathan Road, von Central und Causway Bay, hier zwischen Strassenmärkten mit frisch geschlachtetem Vieh und den fischgrätenartigen, sich in den Himmel reckenden Hochhäusern, die die anliegenden Gassen verdunkeln, hier also sollte der Liebhaber deutscher Uhrenfertigung auf seine Kosten kommen? Letztendlich stand ich vor der angegebenen Adresse, einer Mischung aus Lagerhaus mit gut 12 Stockwerken, knarrenden Lastenaufzügen, schmalen Korridoren und einer Ansammlung von Handelsniederlassungen mit DIN A 4 großen Büroflächen und versuchte die "LS Collection" ausfindig zu machen. Aha, vierter Stock, aber bitte den richtigen Aufzug wählen. Eine verdutzte Chinesin öffnete die Eingangstür. "Sinn Watches???!, come in..." Ich trat ein und wurde sogleich in einer Sitzecke abgeparkt. "Wait a moment". Ok. Der schlauchförmige Raum vor mir wurde durch eine Stellwand in zwei Bereiche geteilt. Links der Gang, rechts saßen hinter abgewetzten Schreibtischen junge Frauen, die Berge von Computerausdrucken bearbeiteten und gelegentlich durch Telefonanrufe von eben dieser Arbeit abgehalten wurden. --- WO WAREN DIE SINN UHREN? --- Am Ende des Ganges erschien ein drahtiger Chinese, der im Vorbeigehen mit einigen der arbeitenden Frauen locker zu schäkern versuchte. Er begrüßte mich. Small Talk... Sinn Uhren hätte er, anders war es ja auch nicht zu erwarten, NICHT. Nein, er mache den Einkauf, telefoniere öfters mit Mister Schmidt und wäre auch einmal im Jahr in 'Flankfult', so ließ er mich wissen. Außerdem begann er ohne Unterlass von Tutima Uhren zu schwärmen, die er ebenfalls disponiere. Seine nicht enden wollende Laudatio auf die Mitbewerberfirma bereitete mir lediglich Verdruss, so etwas musste ich mir wirklich nicht weiter anhören. Doch im Land des Lächelns darf man ja nie sein Gesicht verlieren. Schliesslich und endlich wurde ich an ein Ladengeschäft auf Hong Kong Island, samt der Geschäftsführerin verwiesen. Na dann: "Tschüss Schinese".
Des Voeux Road, Hong Kong Island, zwei Stunden später. Handtuchschmale Strassenbahnen ziehen an mir vorbei und rangieren durch die Häuserschluchten. Warum sind die Strassen immer frei, wenn ich, wie gewohnt nach rechts blicke? Und warum kreischen immer Bremsen, wenn ich dann, meinem Blick folgend die Strasse überqueren will? - Linksverkehr! - Ich werde es nie lernen, dabei ist es an jeder Strassenkreuzung doch auf den Asphalt gepinselt, wo man hingucken soll, wenn man guter Dinge ist die Fahrbahn zu überqueren.
Der Laden ist nicht zu finden. Ich wende mich an zwei Cops, die ortskundige Streifenerfahrung ausstrahlen. LS Collection? "Never seen, never heard." Ich umkreise den Block ein weiteres mal. Was ich dann doch noch entdecke, sind zwei schmale Schaufenster, geteilt durch eine Eingangstür. In der Schaufensterauslage: Tutima. Ich schäume innerlich. Von Sinn keine Spur. Und doch: Hier muss es wohl sein. Also wird der Laden betreten: Von Uhren erst einmal keine große Spur. Etwas Schmuck und allerhand Krimskrams, als Dekoration zur Verschönerung des chinesischen Heimes, den man bestenfalls seinem Chef schenkt, als Dankeschön für die Einladung zum Abendessen. Eine Dame ist damit beschäftigt die Utensilien abzustauben, die andere nimmt sich meinem Wunsch nach Sinn Uhren an. Ich werde in den letzten Winkel des Etablissements geführt und da sind sie dann endlich: Gut ein Dutzend Uhren aus Frankfurt: The whole Stock! Ein Regulateur, die UX, die 103, sogar eine H4 befinden sich darunter. Wie schön - wie vertraut!
Und wo bitteschön sind die Sondermodelle? Limited Editions for East Asia? Ich bin doch hier in East Asia, oder? Also her damit! "Solly? Never heard about...?" Daaanke! - Pause, Durchatmen ... Also lasse ich mir die 'Pilot' (657) zeigen. Eine tolle Uhr. Solide verarbeitet, prima Abzulesen und erst die Lünette! Ich bin begeistert, könnte sie sofort am Arm behalten. Also erkundige ich mich nach dem Preis. Die Umrechnung auf den Euro ist einfach: Alles grob durch zehn teilen. Nach dem obligatorisch abgeschlagenen Discount wären es dann 13.500 HK Dollar, mit anderen Worten, stramme 1.350 Euro. Mir stockt der Atem.
Frage an Mr. Schmidt in 'Flankfult': Wie kann das eigentlich funktionieren mit solchen Partnern und solchen Preisen auch nur eine einzige Sinn Uhr in Hong Kong zu verkaufen? Vielleicht mag es ja mit der einen oder anderen gelingen. Aber nur eine einzige läppische Vertretung mit einer derart miesen Präsentation in dieser turbulenten Millionenstadt zu haben ist beschämend! Ich habe die Hongkonger als absolut 'konsumgeil' (man verzeihe mir diesen vulgären Ausdruck) kennengelernt, die hinter allem her sind war aus Europa kommt. Aber gut, vielleicht haben sie es ja auch nicht besser verdient, dann bleiben nämlich mehr dieser herrlichen Uhren für uns übrig.
Szenenwechsel: Bangkok. In einem einschlägig bekannten Einkaufszentrum werden mir japanische Uhrenkataloge unter die Nase gehalten. Nach dem Aussuchen bekommt man die 'Copiewatches' dann unter dem Tresen hervorgeholt. Auf der letzten Katalogseite stoße ich auf die Abbildungen einiger Sinn Modelle. Voll banger Erwartung deute ich darauf. "Solly, we dont have this", gibt man mir zu verstehen. Ich bin beruhigt.
Uwe