Zitat von georg
da Du das Urteil (welches noch nicht rechtskräftig ist!) und die Zusammenhänge nicht kennst, hier ein Link zur Info :wink:
Hallo Georg,
nun, ich vermag weder in dem Urteil noch in sonstigen Texten zu dem Fall irgendetwas zu entdecken, das dem widerspricht, was ich schrieb:
Nomos sagt in ihrer Presseerklärung von Anfang Juli, sie hätten auf 99 % der Vertragsstrafe (übrigens "nur" 63, nicht 65 Mio. Euro) verzichtet , wenn Mühle sich im Gegenzug dazu verpflichtet hätte, endlich auf die Verwendung der Bezeichnung "Glashütte" auf ihren Uhren zu verzichten. Das aber will Mühle nicht, daher wird die komplette Vertragsstrafe fällig.
Und Mühle ließ sich damals, in 2002, auf einen Vergleich mit Nomos ein, der ihnen heute zum Verhängnis wird. In dem Vergleich erkennt Mühle an, daß wenigstens 50 % der Wertschöpfung an einem Uhrwerk (nicht nur an der Uhr insgesamt!) aus Glashütte stammen muß. Und aus der Nummer kommen sie ggw. nicht mehr raus.
Soweit zu dem, was ich schrieb, sehen wir nun, wie es weitergehen könnte:
Nun kann man eine Firma natürlich auch einfach in die Insolvenz (und nachfolgend den Konkurs) gehen lassen, um dann einen Neuanfang zu machen, ohne dabei die Rechtsnachfolge der Vorgängerfirma anzutreten und damit entsprechende Verträge, Vergleiche, Verpflichtungen usw. aus der verhängnisvollen Vergangenheit übernehmen zu müssen. Vielleicht (oder sogar wahrscheinlich) hat Thilo Mühle genau das vor. Doch ganz so einfach ist das heutzutage nicht mehr, und schon gar nicht unter den Argusaugen einer argwöhnischen Konkurrenz, die sich sicherlich schon längst ausgerechnet hat, welche Optionen der Familie Mühle noch bleiben, und die vielleicht sogar schon einen Plan A, B und C entwickelt hat, wenn es zu "die Mühle-Story, Teil 5" kommt. Eine offiziell bestellte Insolvenzverwaltung dürfte jedenfalls angesichts der Höhe der offenen, gegen Mühle ggw. bestehenden Forderungen wohl mangels zu erwartender liquider Mittel in entsprechender Höhe abgelehnt werden.
Und noch eines dürfte klar sein: Fängt eine Firma Mühle - wie immer sie dann unter ihrem neuen Geschäftsführer (Thilo Mühle?) heißen mag - damit an, Uhren mit Schweizer Innenleben und dem Label "Glashütte" zu produzieren, beginnt das Theater wieder von neuem. Davor wäre für die Familie Mühle allerdings noch ein klitzekleines Problem zu lösen: Da die gesamte aktuelle Firma im Zuge der Liquidation samt Maschinen, Gebäuden usw. "versilbert" werden dürfte, dürfte es für Mühle schwierig werden, in Glashütte überhaupt noch einen Platz zu finden, an dem sie ihren Hut aufhängen, geschweige denn eine neue Firma gründen können. Und welche Bank ihnen das Geld für "Mühle, Teil 5" vorschießen soll, wäre auch noch zu klären, denn aus Oma oder Opa Mühles Sparstrumpf werden sich die erforderlichen Gelder sicherlich nicht zaubern lassen.
Es ist durchaus nicht so, daß ich der Familie Mühle oder der Firma Nautische Instrumente Mühle und ihren Angestellten irgendetwas Böses wünsche; im Gegenteil. Ich habe selbst eine Mühle-Uhr (M12 Big Sports), die ich sehr schön finde. Und es ist auch nicht so, daß ich in Nomos einen uneigennützigen Vorkämpfer für die edle Rettung der Herkunftsbezeichnung Glashütte sehe. Daß es Nomos natürlich zunächst darum geht, einen Mitbewerber loszuwerden, ist mir durchaus klar. Andererseits ist Mühle aber auch in so ziemlich jedes Fettnäpfchen getreten, das im Wege stand.
Spielen wir doch mal ein alternatives Szenario durch:
Mühle weiß, daß ihnen Nomos an die Karre fahren will, und Mühle weiß auch, daß der Stein des Anstoßes nur die verwendeten Uhrwerke Schweizer Provenienz sind, die in Glashütte von Mühle lediglich mit einem anderen Rücker und Rotor ausgestattet werden, womit sich natürlich nicht der Glashütter Mindestsatz von 50 % am Wert des Werkes als einheimische Leistung erreichen läßt. Demontage- und Remontage importierter Werke trägt ebenfalls nichts zu den 50 % bei. Was also tun?
Bei den Gehäusen ist man dank der Produktion durch die einheimische S.U.G. auf der sicheren Seite, und die Bänder machen keinen so hohen Kostenanteil an der gesamten Uhr aus, daß man sich irgendwelche Sorgen machen müßte.
Nun könnte Mühle hingehen, sehr viel Fremdkapital in die Firma holen und eigene Werke entwickeln, so wie Nomos, Lange & Söhne und Glashütte Original/Union Glashütte dies taten. Doch damit wären Selbständigkeit, Unabhängigkeit, kurzum, Mühle als familieneigener Betrieb, ein für alle Male perdu. Doch da gibt's noch einen anderen Weg, und den ging die Firma Bruno Söhnle, die ganz ungeniert und völlig in Übereinstimmung mit geltendem Recht "Glashütte" als Herkunftsbezeichnung auf ihre vergleichsweise bescheiden bepreisten Quarzticker, natürlich bestückt mit ausländischen Werken, drucken darf. Wie ist das möglich? - Nun, das ist ganz einfach: Die eingebauten Quarzwerke sind so billig, daß jede manuelle Weiterbearbeitung die Kosten so weit nach oben treibt, daß locker 50 % des "Gesamtwertes" solcher Werke in Glashütte generiert wird. Ein Werk, das im Einkauf 10,00 Euro kostet, benötigt nämlich nur noch wenige Minuten händischer Nachbearbeitung in Glashütte, um die 5,01 € (> 50 %) an "Wertzuwachs" zu generieren, mit der die Bezeichnung "Glashütte" legalisiert wird.
Nun wird man mit Fug und Recht einwenden, daß dies bei billigen Quarzwerken leicht möglich ist, während es bei teureren mechanischen Werken schwieriger ist. Das stimmt zwar, aber was spräche denn z. B. dagegen, mit einem Rohwerke-Produzenten (von mir aus auch Seiko
) eine Übereinkunft zu schließen, daß in Glashütte eine gemeinsam gehaltene Gesellschaft gegründet wird, die dort Rohwerke "Made in Glashütte" produziert. Diese werden dann an Mühle (oder jeder andere Firma, die in Glashütte Uhren bauen will) geliefert, dort endgefertigt, eingeschalt und justiert.
Auf diese Weise hätte man sogar nahezu 100 % der Wertschöpfung in Glashütte. Andere Maßstäbe scheint es doch nach den derzeitigen gesetzlichen Grundlagen gar nicht zu geben.