• Ein Beitrag hier im forum hat mich darauf gebracht, dass viele immer noch glauben, die Stossicherung eines Werkes wird durch Lagerung des Selben in Gummi oder anderen "federnden" Materialien gewährleistet.

    Die Stoßsicherheit eines Werkes definiert sich durch die Lagerung der Unruhzapfen. Diese Zapfen, zu denen sich die Unruhwelle hin verengt, sind besonders dünn. Je dünner die Zapfen, desto weniger reibung entsteht zwischen Zapfen und Lager. Im Verhältnis dazu ist die Unruh aber relativ schwer, so dass sich hier ein besonders verletzlicher und gefährdeter Schwachpunkt der Uhr befindet. Ein Stoß, ein Aufprall der Uhr genügt, und schon können die Zapfen abbrechen.

    Abraham Louis Breguet hat bereits 1790 dieses Problem erkannt und den Zapfen eine Trompetenform gegeben (deswegen nennt man die Unruhzapfen auch heute noch Trompetenzapfen) und die Enden in einem kleinen Deckstein auf einem Federblatt zu lagern, so dass sich die Unruh bei einem Stoss in axialer Richtung bewegen kann. Nach dieser Beanspruchung kehrt der Deckstein in seine ursprüngliche Lage zurück und die Uhr läuft unbeschadet weiter. Er nannte diese Erfindung "parachute" (Fallschirm).

    Breguets simple Erfindung wurde natürlich bis zum heutigen Tage von vielen Herstellern verbessert, deren Fertigungstoleranzen der Einzelteile einer Stoßsicherung mittlerweile bei 0,003 Millimetern liegen. Die Materialzusammensetzung der Lyrafeder, welche die Decksteine in den Chatons (Futter) hält, ist ebenso geheim wie die Diapal-Materialien bei Sinn. Die Aufgabe der Decksteine, das Öl zu halten, die Lage bei Stössen in alle Richtungen abzufangen usw. haben zu sehr komplexen technischen Lösungen bei einem ganzen Industriezweig der Uhrenindustrie geführt.

    Die am häufigsten (95%) anzutreffenden Stoßsicherungen (heutiger Begriff: "parechoc") kommen von der KIF Parechoc SA in Le Sentier und der Incabloc SA in La Chaux de Fonds aus der Schweiz. Für die einzelnen Uhrenhersteller (extreme Belastungen, etc. als Parameter der Hersteller) werden Kleinserien bei diesen Herstellern nach Kundenwunsch gefertigt.

    Wen dies "ganz genau" interessiert, PN an mich, ich nenne euch die Fachliteratur (zur Verfügbarkeit im Buchhandel kann ich keine Angaben machen!). Notfalls scanne ich wieder und schicke es per Email.

    Über das Thema "Werkhalteringe aus Kunststoff/Gummi u.ä. wurde auch mal vor 2-3 Jahren in irgendeiner (ja, ich erinnere mich nicht genau wo!) Uhrenzeitschrift ein interessanter Beitrag gebracht, wo ebenfalls klar dargelegt wurde, dass die erfolgten Versuche keine messbare Verbesserung bei Stössen gebracht haben. Da mir dies bekannt war, habe ich den Artikel nur "quergelesen" und kann mich jetzt nicht mehr erinnern, wo genau dies war.

    Gruß Gero

  • Und mal wieder so ein "goldener Beitrag" aus Deiner Feder! :thumbup:

    Ich bekenne mich schuldig: An näheren Infos habe ich großes Interesse und würde mich über entsprechende Links/Literaturhinweise usw. freuen. ;)

  • Zitat von eosfan

    Klasse, die Bücher kann man sich heutzutage glatt sparen! :notworthy:

    Gruß Gero

  • Zitat von HappyDay989

    Und mal wieder so ein "goldener Beitrag" aus Deiner Feder! :thumbup:

    Ich bekenne mich schuldig: An näheren Infos habe ich großes Interesse und würde mich über entsprechende Links/Literaturhinweise usw. freuen. ;)

    Besten Dank, aber dank Andreas findest du beim ersten Link bereits zwei meiner Quellen mit ISBN-Nr. "Das große Uhrenlexikon" und "Breguet: Meisterwerke klassischer Uhrmacherkunst".

    Der Link zu Volker Viscocil ist insoweit interessant, da ich ihn mal persönlich kennengelernt habe. Er ist als gelernter Maschinenbauer, der anfänglich seine Uhren im Wohnzimmer konstruiert und gebaut hat, der bei weitem abgedrehteste Uhrenfreak, den ich kenne. Seine Aufsehen erregenste Konstruktion ist m.E. nach der sekundengenaue Stopp des Werkes nach Nullstellung der Gangreserve (er hat dies gekoppelt).
    Da seine Uhren aber im Preissegment um 15.000€ liegen, kann ich mich beherrschen.

    Gruß Gero

  • Natürlich Viskocil, nicht Viscocil. Das kommt davon, wenn man mit der Nase tippt. Na, Morgen darf ich die Zwangsjacke ja ausziehen (Stammtisch).

    Gruß Gero

  • Bedankt euch bei meinen Wärtern, die mir immer freien Zugang zum Computer geben (nur leider nicht zum Testgelände) und natürlich bei Andreas, dessen Links nun wirklich keine Fragen offen lassen.

    Gruß Gero

  • Zitat von Chronometres


    Der Link zu Volker Viscocil ist insoweit interessant, da ich ihn mal persönlich kennengelernt habe. Er ist als gelernter Maschinenbauer, der anfänglich seine Uhren im Wohnzimmer konstruiert und gebaut hat, der bei weitem abgedrehteste Uhrenfreak, den ich kenne. Seine Aufsehen erregenste Konstruktion ist m.E. nach der sekundengenaue Stopp des Werkes nach Nullstellung der Gangreserve (er hat dies gekoppelt).
    Da seine Uhren aber im Preissegment um 15.000€ liegen, kann ich mich beherrschen.

    Wow, den kennst Du persönlich? :o

    Vor einigen Monaten war mal im WDR-Fernsehen eine kurze Reportage über ihn zu sehen, da hatte ich auch schon ganz spontan die Idee, mir seine Uhren mal anzusehen. Als ich dann die Preise erfuhr, habe ich mir diese Idee allerdings wieder aus dem Kopf geschlagen. ;)

  • Zitat von HappyDay989


    Wow, den kennst Du persönlich? :o

    Ja, ich habe ihn vor 5 Jahren auf einer Messe für besondere Uhrenkonstrukteure (F.P.Journe, Vincent Calabrese, Martin Braun usw. waren da) mal kennengelernt.

    Übrigens: gläserne Feder, nicht goldene:

    Als Illustrator sammle ich auch Schreibgeräte.

    Gruß Gero

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