Dass ich den Weg der Vernunft schon längst verlassen habe, zeigte zuletzt meine Vorstellung der Zenith Defy "Classic" Skeleton Ceramic. Heute kommt quasi ein zweiter Teil davon, der wieder mal zeigt, dass Uhren ein rein emotionales Hobby sind, wo Sinn und Verstand auch mal frei haben dürfen
(<- v.l.n.r.: Sinn, Verstand)
Der Glanz von Gold oder: Die Verflossene
Nachdem ich meine Panerai Luminor Marina Ref. PAM 111 meinem besten Jugendfreund vermacht habe, stand ich recht leer da, wenn es um sportlich-klassische Brummer mit dem typischen Italienerinnen-Gesicht geht. Der Grund, wieso ich die Uhr abgegeben habe, war einfach: Besagter Freund schwärmte schon seit langem für die 111er und immer wenn wir uns sahen, war er begeistert. Rolex, AP & Co. fand er alles toll wenn ich sie ihm gezeigt habe, aber er wollte immer nur die PAM. Da er finanziell nicht so "unabhängig" wie ich ist und ich ihm viel in alten Zeiten zu verdanken hatte, hab ich ihm die Uhr letztes Jahr zu einem symbolischen "Vorzugspreis" angeboten - ein Angebot, was er von meiner Seite aus nicht ablehnen konnte durfte
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Wirklich losgekommen bin ich von Panerai allerdings nie. Wie bei IWC dachte ich, dass ich die Marke gemäß der englischen Floskel "Been there done that" abhaken konnte. Dem war aber nicht so! Echte Alternativen bei dieser Marke gab es für mich allerdings nie. Die PAM 111 war für mich immer DIE Panerai, die einfach alles hatte, was eine Panerai braucht - nicht mehr und nicht weniger: Ein Luminor-Modell mit Sandwich-ZB, kleiner Sekunde auf der 9, Glasboden und klassisches ETA- bzw. Unitas-Werk gepaart mit eine ordentlichen Wasserdichtigkeit.
Meine alte Panerai Luminor Marina - Ref. PAM111
Allerdings gab es da noch die andere interessante Modellreihe von Panerai: Die Radiomir! ![]()
Radio... aktiv?
Früher ja, heute natürlich nicht mehr. Historisch bedingt war die "Radiomir" Baureihe die erste, auch wenn die "Luminor" Uhren heutzutage wohl eher dem "typischen" Panerai-Look entsprechen. Während der erste Radiomir-Prototyp allerdings bereits 1936 der italienischen Marine und deren "Froschmänner", für die die Uhren gebaut wurden, vorgestellt wurde, wurde die Luminor erst 1955 bzw. 1956 mit diesem Namen auf dem Ziffernblatt angeboten. In dieser Zeit gab es eine längere, nicht klar definierte Übergangsphase. Bereits 1949 wurde mit "Luminor" die eigentlich so lautende Leuchtmasse von Panerai patentiert.
Die Referenz 3646 - die erste, die 1938 nach abgeschlossenen Test-Phasen an die italienische Marine ausgeliefert wurde. Quelle: [1]
Den typischen Kronenschutz der heutigen Luminor-Uhren gab es allerdings erst 1955, also 6 Jahre später. Auch in dieser Zeit wurden viele Panerai Uhren noch mit dem Logo "Radiomir" bzw. "Marina Militare" angeboten, obwohl sie nach heutiger Unterteilung vom Gehäuse und damit der Optik ganz klar bereits "Luminor" Modelle waren. 1956 kam dann so langsam der Wechsel und die typische "Luminor" war geboren. Die "Radiomir" getaufte Leuchtmasse, die bereits 1916 (!) von Panerai patentiert wurde, gehörte damit immer mehr der Vergangenheit an.
Das damalige US-Patent von 1960 für den 1955 veröffentlichten Panerai-einzigartigen Kronenschutz, genannt "tight seal device". Er ermöglichte den Panerai-Uhren eine damals sehr beeindruckende Druckfestigkeit von 200m! Quelle: [1]
Während die ersten Luminor-Prototypen immer noch "Radiomir" auf dem ZB hatten, gab es einige Abwandlungen mit "Marina Militare" und "Luminor". Alle diese Modelle, mit oder ohne dm neuen Kronenschutz, wurden unter der Referenz 6152-1 geführt. Sie hatten als Werke damals entweder ein Rolex Kaliber 618, was "exklusiv" von dem damaligen Brot- und Butter-Hersteller "Cortebert" für Rolex hergestellt wurde, oder später auch ein Angelus 240 mit einer nicht nur zu der Zeit beeindruckenden 8-Tage-Gangreserve (daher auch die heutigen 8-Days-Modelle von Panerai). Quelle: [1]
Quelle: [1]
Heute nicht mehr zu sehen: Optisch klar eine Luminor, damals noch mit Radiomir Schriftzug auf dem ZB. Quelle: [1]
Das Angelus 240 mit beeindruckender 8-Tage-Gangreserve! Quelle: [1]
Das ältere Rolex 618 Kaliber. Oft hört man, dass in früheren Uhren Rolex-Werke verbaut waren. Das ist zwar nicht falsch, die Werke stammten damals aber eigtl. von "Cortebert". Wer die Geschichte von Rolex ein wenig kennt, weiß, dass die Marke früher fast ausschließlich auf Zulieferer angewiesen war. Quelle: [1]
Einsatzzeitmesser
Genau genommen ist Panerai eine der wenigen Firmen, die jahrzehntelang ECHTE "Einsatzzeitmesser" gebaut haben. So kam es tatsächlich erst 1993 (
), dass Panerai seine Uhren (damals die Luminor & Luminor Marina mit kleiner Sekunde) auch der zivilen Öffentlichkeit angeboten hat. Bis dahin war eine Panerai rein für militärische Zwecke gedacht und gebaut!
Ein italienisches Werbeplakat für die damals erste der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Panerai Uhr: Die Referenz 5218-201/A, Spitzname "Logo". Quelle: [1]
Die Referenz 5218-201/A, Spitzname "Logo" - damit hat es für die Zivil-Gesellschaft begonnen! Quelle: [1]
Die Radiomir heute
Im heutigen Sortiment gibt es natürlich auch die Radiomir wieder - natürlich nur vom Gehäuse-Stil, als Leuchtmasse wird heute natürlich eine nicht-radioaktive Leuchtmasse wie in den Luminor-Modellen verwendet. Ob Panerai heute wie viele Schweizer Hersteller auf Zulieferer-Marken wie "Superluminova" setzt oder immer noch seine eigene Leuchtmasse verwendet, ist mir aktuell leider nicht geläufig. Geblieben ist allerdings das ikonische Gehäuse-Design mit den charakteristischen Bandanstößen. Im englischen "wired lugs" genannt, da diese früher ans Gehäuse angelötet wurden - heute ist dies über Verschraubungen und zweiteilige Stege gelöst, die nur die klassische Optik widerspiegeln sollen und damit auch das unkomplizierte Bandwechseln möglich machen.
Einsatzuhren mit historischer Relevanz - was ist daran nun unvernünftig?!
... wird sich jetzt vll. der ein oder andere Uhrenliebhaber denken. Nunja, bisher noch nichts
Es gibt da allerdings so ein Problem mit Panerai-Uhren. Neben der Größe, die bei klassischen Modellen i.d.R. zwischen 42-47mm liegt (mit Ausreißern in beide Richtungen), ist es vor allem die Modellvielfalt. Es gibt viele Varianten und oft kommen diese (bewusst) mit Kompromissen daher. Will man ein Datum, ist oft der Gehäuseboden geschlossen und zeigt nicht das schöne Uhrwerk. Hat man einen Glasboden, fehlt u.U. eine Komplikation. Die "eierlegende Wollmilchsau" gibt es bei Panerai oft nur bei den teureren Modellen, die dann aber oft auch aus anderen Gehäuse-Materialien bestehen, die den Preis weiter nach oben treiben ![]()
Optisch mit am Besten gefallen hat mir die schlichte Panerai Radiomir "Black Seal":
Mein damaliger Radiomir-Favorit: Die "Black Seal" Ref. PAM 183 ohne Logo. Quelle: [2]
Das einzige was mich daran etwas neben dem exotischeren Logo auf dem ZB gestört hat, war die Größe von 45mm.
Ja, Panerai-Uhren trägt man i.d.R. groß und vom Stil kann man das auch an dünneren Handgelenken durchgehen lassen. Bequem sind die Uhren dank Leder- oder Kautschukbänder nämlich auch an kleineren Handgelenken
Allerdings bin ich mit der Zeit immer mehr von größeren Uhren abgekommen. Ich wusste vor dem Kauf, dass es zeitgenössische Radiomir-Modelle auch in 42mm gibt. Allerdings musste ich da dann auch eine Uhr mit ebenso schlichtem Sandwich-Blatt und Glasboden finden - das waren meine persönlichen Voraussetzungen.
Wie es der Zufall will...
Nach etwas stöbern in diversen Online-Angeboten bin ich dann zufällig auf eine richtig heiße Referenz gestoßen: 42mm, schlichtes Sandwich-Ziffernblatt, Glasboden UND sogar ein schickes und klassisches "Manufaktur-Werk" mit Handaufzug!
Mit klassisch meine ich, dass das Werk auf dem Piaget 838P basiert und zu den etwas älteren Panerai-Manufakturwerken gehört.
Das wirklich schicke Panerai Kaliber P.999, basierend auf dem Piaget 838. Quelle: [3]
Panerai hat erst recht spät angefangen, "eigene" Werke zu fertigen. Meines Wissens wird davon bis heute alles 100% von Zulieferern gefertigt. Während früher oft hochwertige Basiskaliber von anderen Manufakturen (wie eben besagtes Piaget-Werk) genutzt wurden, werden die Kaliber heute für Panerai exklusiv gebaut. Will heißen - nicht VON, aber exklusiv FÜR Panerai gefertigt. Jaja, die Definition von "Inhouse" ist bekanntlich SEHR dehnbar
Zur aktuellen Werke-Situation bei Panerai-Uhren will ich an dieser Stelle gar nichts sagen - leider ist deren Marketing momentan ziemlich daneben, v.a. auf "sozialen" Medien - es werden Fake-Panerais von anderen Nutzern beworben, ETA-Werke werden auf Bildern als "Inhouse" bezeichnet... ![]()
Auf jeden Fall ist das verbaute Werk wunderschön und dank des klassischen und nicht supermodernen Erscheinungsbildes genau passend für die Radiomir, die ich mir vorstellte ![]()
Jaaa... am Ende gab es dann nur noch ein kleines feines Detail, was ich nicht geplant hatte: Besagte Referenz war aus 18 Karat Massivgold
Nachdem ich dann aber bei genauerer Betrachtung das rotbraune Alligatorleder-Band gesehen habe, dass der Uhr den perfekten eleganten Look gegeben hat, war ich verliebt
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Kurz darauf folgte aber die Ernüchterung: Die von mir hier gefundene Referenz PAM 439 war schon seit fast 10 Jahren (!) nicht mehr im aktuellen Sortiment, demnach also nicht mehr neu zu haben!
Die einzige Alternative wäre die PAM 336 gewesen, die im Endeffekt identisch mit der 439 ist, nur 1-2 Jahre früher erschien und auf 500 Stück limitiert war. Das kleine aber feine Unterschied: Das gesamte Gold-Gehäuse ist nicht poliert, sondern gebürstet / satiniert!
Das würde zum einen aber nicht so gut bei einer eher eleganten Uhr passen, zum anderen ist auch diese Referenz aufgrund der Limitierung noch seltener zu finden...
Und auf eine zigfach polierte oder noch verkratze Gold-Uhr hatte ich keine Lust... ![]()
New Old Stock
Die Radiomir war für mich schon immer die "klassischere" Panerai. Was historisch ja auch akkurat ist. Das elegantere Erscheinungsbild war also von Anfang an gewollt. Ebenso baut die Radiomir je nach Referenz deutlich schmaler als eine Luminor, was der eleganten Erscheinung natürlich zugute kommt
Das die Uhr nun aus Gold - genau genommen dem von mir heutzutage bevorzugten Rotgold - gefertigt wurde, hat mich rein optisch gar nicht gestört. Ehrlich gesagt ganz im Gegenteil: Die 439er sah rattenscharf aus!
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Nein, das Problem war viel mehr der Preis: Eine Vollgold-Panerai war eigtl. so gar nicht in meinem Budget ![]()
Aber auch hier kam schon die nächste Fügung: Ich habe tatsächlich genau diese Referenz noch EIN mal als "new old stock" gefunden!
Der mir nicht unbekannte europäische Händler konnte die Uhr mit neuem Lederband und aktuell gestempelter Garantiekarte anbieten
"Aktuell" heißt zum Zeitpunkt der Vorstellung übrigens 2021 - seit Sommer habe ich das Schätzchen schon in meiner Sammlung ![]()
Nachdem ich gesehen habe, dass die Uhr allerdings dennoch leichte "Gebrauchsspuren" hatte (die Uhr lag wohl länger bei Konzis im Schaufenster bzw. Ausstellungsstück rum), habe ich noch entsprechend verhandelt und konnte so einen hervorragenden Preis erzielen, für den man heute nicht mal mehr eine Stahl-Rolex bekommt ![]()
Damit war es besiegelt: Ich habe mir eine 18k Gold-Panerai gekauft :weglachen2 Vernünftig? Nein. Geil? Aber sowas von!!
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Überraschungen...
... der bösen Sorte gab es sonst zum Glück keine
Allerdings hat mich an der Uhr dann doch eines POSITIV überrascht: Da in der Uhr ein Handaufzugswerk verbaut, habe ich nicht mit einer verschraubten Krone gerechnet?!
Ja, richtig gehört. Die Uhr hat eine verschraubte Krone und damit hat die elegante Gold-Panerai dennoch 100m Druckfestigkeit
Viel cooler ist aber, wie die Verschraubung gelöst wurde - sobald die (sehr schicke!) Gold-Krone aufgeschraubt wird, springt diese mit einer Feder etwas nach außen. In dieser Position kann die Krone einfach zum Aufziehen oder Stellen der Uhr verwendet werden. Das wieder zuschrauben geht denkbar simpel und ist im Endeffekt auch nichts besonderes - man drückt die Krone wieder an und fängt an im Uhrzeigersinn zu drehen. Das Besondere ist allerdings, dass durch das Andrücken im Gegensatz zu vielen anderen Verschraubungen die Krone komplett vom Aufzieh-Mechanismus entkoppelt wird, so dass man nicht bei vollaufgezogenem Werk Gefahr läuft, dass das Federhaus "überdreht" wird
Das Ganze funktioniert in der Praxis einfach hervorragend - im Gegensatz zu anderen Herstellern ist diese Verschraubung absolut hakel- und fehlerfrei zu bedienen! Jedes Mal wenn man die Uhr verschrauben will, greift das Gewinde sofort ohne das man das Gefühl hat, man hat jetzt nicht den richtigen "Einstiegspunkt" erwischt. Ich weiß nicht wie das Gewinde geschnitten wurde - die Funktion ist aber dadurch hervorragend ![]()
Ich stelle mir schon immer wieder die Frage, ob ich diese Uhr gebraucht hätte. Oft frage ich mich, welche Uhr in meiner Sammlung redundant ist oder welche ich mit einer anderen ersetzen könnte. Dies ist der analytische Part des Hobbies bei mir. Allerdings kommen mir solche Gedanken bei der Radiomir (bisher) nie: Ich mag die Uhr einfach! Es gibt keinen besonderen Grund, ich brauche keine spezielle Gelegenheit um die Uhr zu tragen. Wenn mir danach ist, trage ich sie!
Und so sollte es am Ende meiner Meinung nach sein. Und wie so oft siegen die Emotionen, das Bauchgefühl - nicht das, was der Kopf meint! ![]()
An dieser Stelle will ich euch aber nicht weiter langweilen, denn: ![]()
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Als kleinen Bonus gibt es an dieser Stelle ein "Duett" für die Sinne - die Radiomir hat sich als perfekter "Partner" für meine Hentschel H1 entwickelt, so dass ich euch auch dieses Duo nicht vorenthalten möchte ![]()
In diesem Sinne bedanke ich mich erneut für's Lesen & verbleibe wie immer mit den besten Grüßen ![]()
- Daniel
Quellen:
[1] https://www.timeandwatches.com/p/history-of-panerai-luminor.html
[2] https://www.zeitauktion.com/de/Panerai-Rad…AM00183-2107603
[3] https://watchbase.com/panerai/caliber/p-999