Hallo Freunde,
mein jüngster Neuzugang kommt aus einer Nische der Vintage-Ecke, nämlich den ganz frühen Digitalen. Eine Pulsar LED P3 in NOS-Zustand habe ich seit vielen Jahren, und nun ist es mir gelungen, eine Uhr zu ergattern, mit der ich eine besondere emotionale Verbindung zu haben glaube. Denn:
Die Seiko 0634-5001 LCD war die erste Uhr, die sich mein wesentlich älterer Bruder 1976 vom ersten Leutnantsgehalt rausgelassen hat. Die war damals teurer als eine Omega Speedmaster!
Ich weiß noch, wie ich als Zehnjähriger sabbernd auf sein Handgelenk gestarrt hatte. Und der Gute wollte sie mir partout nicht EINMAL in die Hand geben...
Das Besondere bei dieser: Seiko brachte mit diesem Modell 1976 den ersten elektronischen digitalen Chronographen raus. Das war schon was Sensationelles, wie alle Digis zu der Zeit.
Diese ersten Modelle waren übrigens noch richtig gut gebaut: Edelstahl, aus dem vollen gefräst, zweiteiliges Gehäuse, echtes Glas, sauberst verarbeitete Platine! Das war richtig fühlbare Qualität, und wenn (!) gepflegt, können sie eigentlich revisionsfrei ewig laufen!
Seiko war sowieso der erste Hersteller, die eine Field-Effekt LCD-Armbanduhr auf den Markt brachten. Damit war das Ende der kurzen, ab 1972/1973 ebenfalls Aufsehen erregende Phase der LED-Uhren schon wieder vorbei, denn diese hatten nicht nur den Nachteil einer nicht permanenten Anzeige (musste jedes Mal per Knopfdruck abgerufen werden), sondern waren wahre Batteriefresser.
Nicht so die LCDs, die liefen bis zu drei Jahre mit einer Batterie.
Habe sehr lange nach einer 0634 gesucht, oder besser gesagt: Gewartet, ob mir mal eine zufällig vorbei schwimmt... denn 99% aller Uhren wurden doch arg gerockt, und bald weggelegt im Zuge des Fortschritts und Preisverfall der industrialisierten 80er Jahre Digis, die bekanntermaßen der traditionellen Uhrenindustrie hart einen zugesetzt hatten. Übrig blieben sowieso nicht viele, denn mit leerer Batterie jahrelang im Kasten passiert was? Richtig, sie gehen rettungslos kaputt durch ausgasende Knopfzellen, die zu entfernen man nicht dachte. Leer ist leer. Irgendwann wanderten sie auf den Müll. Die, die nicht auf dem Müll landeten und noch funktionierten, wurden dann Mitte der 90er in der Techno-Ära verheizt, da waren sie nochmal cool Und dann kamen sie so rasch aus der Mode wie sie kamen - mal abgesehen von Casio, die sich auf dem Gebiet technisch spezialisiert haben.
Damit also auch ein Stück Uhrengeschichte, deren Produkte ihre Berechtigung und Bedeutung hatten. Und für mich nach wie vor haben.
Ich konnte kürzlich eine aus Ersthand mit Box, Bedienungsanleitung und "hang tag" sowie mit funktionierendem Licht* und nicht ausgelutschtem Band ausgraben (* im Werk befindet sich eine winzige echte (!) Glühbirne):
Habe mich auch gleich an die Restauration gemacht - heißt, kompletter 'tear down', reinigen und aufarbeiten des Gehäuses:
Zum Glück fand ich sogar noch ein originales, kratzerfreies NOS-Ersatzglas.
Blick auf's Werk (von unten), man sieht den Trimmer zum Einstellen der Gangabweichung:
Leider war das Display selbst nicht mehr zu retten, also das mit den eigentlichen LC-Segmenten und vakuumverklebte Doppelglas. Das besitzt ganz feine Leiterbahnen, die über die Jahre entweder undicht werden und dann Luft ziehen oder einfach, auch durch Gase der alten Knopfzellen, verbrennen. Und weil es natürlich keine Ersatzdisplays mehr gibt, besorgt man sich eben grad das nächstbeste funktionierende Exemplar nolens volens für teuer Geld aus der US-Bucht:
Nächste Woche geht's an den Um- bzw. Zusammenbau - aus 2 mach 1 - Richtung "Neu-Look". Freu mich drauf.
Übrigens erleben gerade die Vintage-LCDs von Seiko, Citizen, Heuer, Breitling, Omega oder die frühen Casio erneut ein Revivial - da eben tragbar - diesmal von Sammlern oder Nostalgikern wie mich, die sich um die letzten guten reißen, die Preise sind davongelaufen... oder zum Davonlaufen... im Netz gibt's seltenst Qualität, auf Uhrenbörsen findet sich dann doch hin und weider eine Perle im Full Set.
Digitale Grüße
Bodo