Heute in der Tageszeitung


  • Rennmaschinen fürs Handgelenk

    Die Marke Richard Mille erobert in nur 25 Jahren die Uhrenwelt – mit Hightech, radikalem Design und Preisen jenseits der Luxusgrenze

    Andrea Martel

    Sie ist kaum schwerer als ein Blatt Papier, aber teurer als ein Sportwagen. In ihrem Innern rotiert ein Tourbillon, und trotzdem ist die Uhr robust genug, um an Rafael Nadals Handgelenk Grand-Slam-Turniere zu überstehen oder eine ganze Formel-1-­

    Saison im Cockpit von Felipe Massa.

    Willkommen in der Welt von Richard Mille. Obwohl erst 25 Jahre alt, zählt die Marke mit rund 1,6 Milliarden Franken Umsatz zu den grössten der Branche und bewegt sich in ähnlichen Sphären wie Patek Philippe oder Audemars Piguet.

    Am Anfang stand die Vision eines rennsportbegeisterten Uhrenmanagers. Ende der 1990er Jahre, kurz vor seinem 50. Geburtstag, beschloss der Franzose Richard Mille, die Uhr seiner Träume zu bauen: eine mechanische Sportuhr, die Hightech-Materialien und avantgardistisches Design mit extremer Robustheit vermählt.

    Vom Experiment zur Marke

    In der Schweizer Haute Horlogerie betrat er damit Neuland. Teure Uhren bestanden meist aus schwerem Gold oder Platin, und kompliziert war in der Regel gleichbedeutend mit empfindlich. Richard Mille, geprägt von der Automobiltechnik, hielt das für rückständig, wie er vor einigen Jahren der «New York Times» sagte: «Die meisten Marken verwenden moderne Werkzeuge, um im Grunde Nachbauten von Uhren des 19. Jahrhunderts zu herzustellen. Das ist, als würde man die heutige Autoproduktion nutzen, um Bugatti-Repliken zu bauen.»

    Mille wollte die Regeln der Uhrmacherei neu schreiben – ohne Kompromisse bei Ideen oder Kosten. Ob die Welt dafür bereit war, wusste er nicht: «Ich hatte dieses Konzept im Kopf, aber keine Ahnung, ob es ein Publikum gibt. Ich hoffte, ein paar Dutzend Sammler würden Gefallen daran finden.»

    Es sollten mehr als ein paar Dutzend werden. Der erste Prototyp, die RM 001, den Mille 2001 auf der Uhrenmesse Baselworld präsentierte, begeisterte. Er liess keinen teuren Stand aufbauen, sondern wanderte stattdessen mit der Uhr durch die Hallen, zeigte sie Händlern und Partnern – und warf sie am Ende seiner Präsentation zu Boden, um ihre Robustheit zu beweisen.

    Die Uhr aus Titan und Kohlenstoff-Nanofaser hatte eine markante, an ein Fass erinnernde Gestalt – ein Design, das zu Richard Milles Markenzeichen werden sollte. Trotz einem Preis von 130 000 Dollar (damals rund 220 000 Franken) gingen Hunderte Bestellungen ein. Mit dem Erfolg der RM 001 hatte sich Richard Mille die Zukunft seiner Marke gesichert. Gebaut wurde das erste Modell allerdings nur in einer Auflage von 17 Stück.

    280000 Franken pro Exemplar

    Gefertigt werden die Uhren seit Beginn in Les Breuleux, einem 900 Seele-Dorf im Schweizer Jura. Dort fand Richard Mille in Dominique Guenat den idealen Partner. Guenat, Patron des Familienunternehmens Montres Valgine und selber Autofan, hatte das Know-how und die Begeisterung, um Milles Vision ­umzusetzen.

    Gemeinsam gründeten sie 2001 die Horométrie SA, für die das Familienunternehmen Montres Valgine seither die Richard-Mille-Uhren fertigt – oft in Zusammenarbeit mit Spitzenunternehmen wie APLL (Audemars Piguet Le Locle, früher Renaud & Papi) oder der Manufaktur Vaucher.

    Die Produktion ist von wenigen Dutzend auf heute knapp 6000 Uhren pro Jahr gewachsen. Bei einem Durchschnittspreis von über 280 000 Franken geht es allerdings nicht in erster Linie um Stückzahlen – Exklusivität und Innovation stehen im Vordergrund. Seit der Gründung hat die Marke über 140 Modelle lanciert, oft mit neuartigen Materialien und technischen Lösungen.

    Prägend ist die Zusammenarbeit mit Spitzensportlern, welche die Uhr ihres Sponsors nicht einfach kurz vor der Preisverleihung anziehen, sondern im Wettkampf tragen. So entstand 2010 mit Rafael Nadal, der früher nie eine Uhr trug, das damals leichteste Tourbillon der Welt: 18,8 Gramm. Es folgten mehrere weitere Nadal-Modelle, darunter 2020 die RM 27-04, deren Uhrwerk an einem feinen Stahlseilnetz aufgehängt ist – eine Konstruktion, die an die Bespannung eines Tennisschlägers erinnert.

    Das neueste Modell, die RM 27-05 von 2024, wiegt ohne Band sogar nur 11,5 Gramm und hält extremsten Beschleunigungen bis 14 000 g stand. Zum Vergleich: Menschen verlieren schon bei etwa 5 g kurzzeitig das Bewusstsein; selbst Kampfpiloten erreichen mit Spezialanzug kaum 9 g. «Rafa hat tatsächlich fünf oder sechs Uhren demoliert, bevor wir das erste Modell lanciert haben – sie sind ihm beim Spielen regelrecht explodiert», sagt Mille. «Aber genau so testen wir unsere Produkte.»

    Die Technik ist sichtbar

    Auch bei den Komplikationen bricht Richard Mille mit Traditionen. Die gerne verwendete Gangreserve, die anzeigt, wie lange eine Uhr noch läuft, bis sie wieder aufgezogen werden muss, interessiert ihn wenig. Lieber integriert er eine Drehmomentanzeige (Torque-Indicator), die die Spannung der Zugfeder misst – vergleichbar mit einem Drehzahlmesser im Auto. Oder einen mechanischen G-Sensor, der es dem Träger ermöglicht, Beschleunigungen sichtbar zu machen.

    Die ganze Technik ist dabei nicht hinter einem Zifferblatt versteckt. Sämtliche Uhren von Richard Mille sind skelettiert, das heisst, sie zeigen die Zahnräder und Brücken offen. Hinzu kommen regelmässig künstlerische, oft unkonventionelle Verzierungen. Bei der RM 19-02 Tourbillon Fleur öffnet und schliesst sich die Blüte einer Magnolie um das Tourbillon, bei der RM 88 Smiley ist das Gehäuse mit winzigen farbigen Figürchen gefüllt, vom Flamingo über den Kaktus bis zum Cocktailglas.

    Der Vertrieb ist so einzigartig wie die Uhren. Richard Mille setzte von Beginn an auf wenige, persönlich ausgewählte Partner, die mittlerweile in die Organisation integriert sind – je einen für die USA, Europa / Naher Osten, Asien und Japan. 2005 eröffnete die Marke in Hongkong die erste Richard-Mille-­Boutique. Die anderen Weltregionen folgten später: London im Jahr 2014.

    Bis 2019 lieferte Richard Mille in Europa noch an externe Händler wie Harrods. Seither setzt die Marke ausschliesslich auf eigene Boutiquen, um die Beziehungen zu den Kunden selbst zu pflegen. Dabei geht es um Details: Ein guter Richard-Mille-Verkäufer weiss nicht nur, welches Getränk der Kunde beim Besuch in der Boutique bevorzugt (im Kühlschrank der Londoner Boutique stehen unter anderem drei verschiedene Sorten von Red Bull), sondern auch, welche Hobbys er hat.

    Darauf baut die persönliche Betreuung auf. Wer eine Richard Mille kauft, wird Teil der «Familie» – und erhält Einladungen zu renommierten Treffen der Automobilkultur, wie dem Chantilly Arts & Elegance oder dem Le Mans Classic. Geschenke sind nie zufällig, sondern abgestimmt auf die Interessen des Kunden: vom eleganten Koffer über das Korkenzieherset bis zum von Rafael Nadal signierten Tennisschläger.

    Jeder Käufer wird geprüft

    Doch wie wird man Kunde? Der Weg zur Richard-Mille-Uhr beginnt mit dem nötigen Kleingeld – unter 90 000 Franken gibt es keine Uhren. Obendrein ist eine Hintergrundprüfung obligatorisch, was nicht wirklich überrascht, geht es doch um ähnliche Summen wie im Finanz- oder im Immobilienbereich. Die Vorschriften dienen dazu, Geldwäsche auszuschliessen und die Reputation der Marke zu schützen.

    Sobald die Prüfung abgeschlossen ist, ist ein Kauf möglich. Falls es in der Boutique Uhren hat, können sie direkt gekauft werden. Ausstellungsstücke kennt Richard Mille im Gegensatz zu anderen Marken nicht. Wer ein Modell will, das nicht verfügbar ist, bleibt idealerweise in Kontakt – und reagiert rasch, wenn der Anruf kommt, dass die Uhr da sei.

    Eine weitere Möglichkeit ist, eine gebrauchte Richard Mille zu kaufen. Bereits 2015 startete die Marke – lange vor anderen Luxuslabels – in Japan ihr eigenes Pre-Owned-Programm, also den Verkauf von gebrauchten Uhren. Seit 2021 sind alle Weltregionen abgedeckt.

    Unter Namen wie «NX One» in Japan oder «Ninety Watches & Jewellery» in Europa und dem Nahen Osten betreibt die Marke eigene Boutiquen für gebrauchte, zertifizierte Uhren (Certified Pre-Owned, CPO). Diese Boutiquen verkaufen in der Regel historische Richard-Mille-Referenzen, die nicht mehr produziert werden – jedes Stück wird dabei von einem spezialisierten Uhrmacher in den Originalzustand zurückversetzt und erhält eine neue, zweijährige Herstellergarantie.

    In besonderen Fällen nimmt Ninety über diesen Kanal auch Uhren aus der laufenden Kollektion zurück: «Hat jemand vor kurzem eine Richard Mille erworben und möchte sie nun gegen ein lange erwartetes Modell eintauschen, finden wir eine Lösung», sagt Dean Harding, General Manager der Londoner Ninety-Boutique, nur wenige Gehminuten von der Richard-Mille-Boutique entfernt.

    Der eigene Name der Secondhand-Boutiquen – zu Beginn für viele Kunden erklärungsbedürftig – erhöhe die Flexibilität, erklärt Harding. So könne man bei Bedarf auch mit anderen Marken handeln. «Wenn jemand eine schöne Patek gegen eine Richard Mille aus dem Ninety-Bestand eintauschen will, können wir das möglich machen.»

    Die nächste Generation

    Es gab in den letzten 25 Jahren verschiedene Versuche, Richard Mille zu übernehmen, unter anderem durch den Luxusgüterkonzern Kering. Aber die Gründer sahen keinen Anlass, den eingeschlagenen Weg als Familienunternehmen zu verlassen, zumal beide Kinder und damit potenzielle Nachfolger hatten.

    2019 kam es zum Generationenwechsel. Richard Mille und Dominique Guenat zogen sich aus der operativen Führung zurück. Seither leiten Amanda und Alexandre Mille sowie Cécile und Maxime Guenat das Unternehmen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Amanda verantwortet Marke und Partnerschaften, Alexandre den Handel. Cécile führt Kreation und Entwicklung, ihr Bruder Maxime die Manufaktur.

    Die neue Generation setzt eigene Akzente – im Design wie in der Technik. Unter Cécile Guenat hat das Frauensegment deutlich an Gewicht gewonnen. Die ursprünglich als sehr männlich wahrgenommene Marke fertigte zwar schon früh Modelle für Frauen, doch liegt ihr Anteil inzwischen bei 35 Prozent.

    Gleichzeitig wollen die jungen Führungskräfte vieles bewahren, was die Marke stark gemacht hat. Die familiäre Prägung gilt weiterhin als zentral. Alexandre Mille nennt als wesentlichen Erfolgsfaktor die enge, vertrauensvolle Beziehung seines Vaters zu den Vertriebspartnern – und sieht diese nun in der nächsten Generation fortgesetzt. «Wir vertrauen uns völlig.» Das spare Zeit und ermögliche schnelle Entscheidungen – oft genüge ein kurzer Anruf oder eine Nachricht, wo andere mehrere Sitzungen ansetzen würden.

    Richard Mille ist heute 74 Jahre alt. Er hat die mechanische Uhrmacherei als Extremdisziplin neu definiert – und dabei eine warme, fast familiäre Beziehung zu seinen Kunden geschaffen. Seine Uhren sind bis heute das, was er von Anfang an wollte: Rennmaschinen fürs Handgelenk. Interviews zur Uhrenmarke, die seinen Namen trägt, gibt er schon länger keine mehr – das sollen jetzt die Jungen machen.

    Stattdessen widmet er sich wieder seinem grössten Hobby, dem Automobilrennsport.

    Aus dem E-Paper der NZZ vom 13.10.2025

    Gruss

    Christian :hatoff:

    Niveau ist keine Creme und Stil nicht das Ende eines Besens.

  • Ich bin bei Richard Mille immer hin- und hergerissen zwischen: Wow, Hammer! - Boar - hässlich! - Wahnsinn! - Nicht zu gebrauchen! - Untragbar - Brauch ich unbedingt :ratlos:


    Allerdings erledigt im allgemein der Preis sowie mein persönliches Budget weitere Gewissenskonflikt und Hin- und Herreisserei :o:


    Trotzdem faszinierend : doppelt Daumen hoch

    Grüße
    Ticker
    _______________________________________________________________________

    ...warum bleibt am Ende des Geldes so wenig Uhr übrig... ? :wall:

  • Danke für den Artikel. : klasse

    Toller Beitrag von Richard Mille für Bereicherung , Produktvielfalt, Innovationskraft und Außenwahrnehmung einer traditionellen und handwerklichen Branche . : doppelt Daumen hoch

    Einmal editiert, zuletzt von Uhrlöwe (14. Oktober 2025 um 13:45)

  • Danke Christian : like

    Supertolle Uhren und schon länger als der Ingenieur am Start.

    Die Vorgehensweise auf der ersten Messe erinnert mich an Helmut Sinn :D

    Ganz lieben Gruß

    Ru_Di

    Expect no quarter, expect no mercy, expect total hell

  • Ein raffiniertes Völkchen diese Schweizer — schon damals hatten sie ihren vorwiegend aus verletztem Männerstolz und egoistischem Gewinnstreben begonnenen Kampf gegen die Habsburger zum heroisch-selbstlosen Freiheitskampf hochstilisiert, haben allerlei mythisches Brimborium von Schwüren und Armbrustschüssen dazu erfunden und schließlich noch einen deutschen Dichter gefunden, der ihnen daraus ein freiheitstrunkenes Nationaldrama strickte …

    Speed’s fine, but accuracy is final.

  • Mit der „NZZ“ von heute können wir das Thema nochmals etwas vertiefen:



    Die Schweiz kauft sich frei

    Bern und Washington haben sich im Zollkonflikt geeinigt. Der US-Zoll sinkt von 39 auf 15 Prozent. Die Schweiz verspricht im Gegenzug Investitionen von 200 Milliarden Dollar

    Thomas Fuster

    Monatelang wurde sondiert und gefeilscht. Am Freitag konnte die Schweiz endlich einen Durchbruch im Zollstreit zwischen den Vereinigten Staaten und der Schweiz bekanntgeben. Das wichtigste Element der Einigung: Der amerikanische Zusatzzoll auf Schweizer Importe wird von 39 auf maximal 15 Prozent reduziert. Die beiden Seiten haben das Ganze in einer rechtlich unverbindlichen Absichtserklärung festgelegt.

    Als Erster verkündete der amerikanische Handelsbeauftragte Jamieson Greer in einem Fernsehinterview am Freitagnachmittag die Einigung. Kurze Zeit später orientierte Bundesrat Guy Parmelin über die Eckwerte. Er bezeichnete die Einigung als «grosse Erleichterung für die Schweizer Wirtschaft». So hätten die US-Strafzölle grosse Verluste verursacht. Parmelin kündigte an, die Absichtserklärung in den nächsten Monaten in ein verbindliches Abkommen umzuwandeln.

    Gratis gibt es den Zollabbau nicht. Die Schweiz muss den USA etwas anbieten. Ein Kernelement der Offerte ist das Versprechen, dass Schweizer Unternehmen bis Ende 2028 in den USA Direktinvestitionen im Umfang von 200 Milliarden Dollar tätigen werden. Hierzu hat die Schweiz den USA eine Liste von Investitionsversprechen überreicht. Der Löwenanteil davon entfalle auf den Pharmasektor, sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda an einer Medienkonferenz.

    Öffentlich zugänglich gemacht wird die Liste nicht. Der Bund begründet dies damit, dass es sich zum Teil um börsenrelevante Informationen handelt. Kommt hinzu, dass der Bund solche Investitionen auch nicht verbindlich zusichern kann, weil es sich um Entscheide privater Firmen handelt. Einige Vorhaben wurden dennoch genannt. So sei etwa bekannt, dass der Flugzeughersteller Pilatus in den USA eine grosse Fabrik baue. Und der Hersteller von Schienenfahrzeugen Stadler Rail sei bereits im amerikanischen Gliedstaat Utah tätig.

    Ausgeglichener Handel bis 2028?

    Konkreter äussert sich das Weisse Haus in einer Stellungnahme. So würden von den «mindestens» 200 Milliarden Dollar 67 Milliarden schon 2026 investiert. Dies schaffe in allen Gliedstaaten gut bezahlte Arbeitsplätze. Ausserdem habe sich die Schweiz verpflichtet, ihren Handel mit den USA auszugleichen – ein Versprechen, das die Schweiz so explizit nicht kommuniziert hat. Dieses Defizit habe 2024 (inkl. Liechtenstein) bei 38,5 Milliarden Dollar gelegen. Das «Abkommen mit der Schweiz wird uns auf den Weg bringen, dieses Defizit bis 2028 zu beseitigen», heisst es aus dem Weissen Haus.

    Neben den Investitionen sichert die Schweiz den USA auch niedrigere Zölle für verschiedene amerikanische Produkte zu, etwa für Fisch und Meeresfrüchte und weitere Agrarprodukte, was angesichts des hohen Zollschutzes der Schweizer Landwirtschaft besonders brisant ist. Parmelin, ursprünglich Weinbauer, betonte indes, es gehe um «nichtsensitive» Produkte, die agrarpolitischen Interessen der Schweiz würden berücksichtigt. Vorgesehen sind etwa zollfreie Kontingente für Rindfleisch (500 Tonnen), Bisonfleisch (1000 Tonnen) und Geflügelfleisch (1500 Tonnen).

    Der Schweizerische Bauernverband, der sich wiederholt gegen eine Marktöffnung gegenüber den USA gewehrt hatte, will kein abschliessendes Urteil zum Zollabkommen fällen. «Wir werden den Deal mit den USA genau analysieren, wenn die Details vorliegen», sagt der Direktor Martin Rufer auf Anfrage. Wichtig sei für die Landwirtschaft, dass die USA die Zölle auch auf Käse reduzieren würden.

    Wettbewerbsnachteil fällt weg

    Mit den vereinbarten Zusatzzöllen von 15 Prozent steht die Schweiz zwar deutlich besser da als bisher. Im Vergleich mit den Zollsätzen vor dem «Liberation Day» von Anfang April, als Donald Trump mit einer ökonomisch schwer nachvollziehbaren Begründung ein umfassendes Paket von Einfuhrzöllen bekanntgab, sind die Handelsbarrieren aber weiterhin sehr hoch. Damals lagen die US-Zölle auf Industrieprodukten im Mittel leicht über 2 Prozent.

    Der Branchenverband Swissmem meint denn auch: Mit der Zollsenkung werde lediglich die massive Benachteiligung gegenüber Herstellern aus der EU und Japan entschärft – der Druck bleibe nach mittlerweile neun Quartalen mit sinkendem Umsatz aber gross. Für eine Entwarnung ist es laut dem Swissmem-Präsidenten Martin Hirzel denn auch zu früh: «Neue Zölle könnten kommen. Der starke Franken bleibt. Und die Unsicherheit am Markt ist riesig.» Die Forderung des Verbandes: «Die Politik muss jetzt Belastungen senken und neue Märkte öffnen.»

    Noch unklar ist, ab wann der neue Zollsatz von 15 Prozent gelten wird. Denn letztlich liegt erst eine Absichtserklärung vor. Zudem müssen die neuen Sätze zunächst den Zollsystemen beider Länder angepasst werden. Das werde nicht Monate dauern, beruhigte Staatssekretärin Budliger, sondern Tage oder Wochen. Man sei mit einer Prognose vorsichtig, da es nicht in den eigenen Händen liege. Die Schweiz versuche indes, zeitgleich mit den USA ihre Zollsysteme anzugleichen. «Man muss sich aber noch etwas gedulden.»

    Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wertet die Vereinbarung als «positives Signal für die Schweizer Wirtschaft». Die Schweiz erhalte damit gleich lange Spiesse wie die EU- und Efta-Staaten. Dadurch falle ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil weg. Doch die Unsicherheit bleibe, und der Protektionismus nehme weltweit zu.

    SVP euphorisch, FDP skeptisch

    Positiver tönt es aus der Partei von Parmelin. Zwar gilt die SVP als konservativ. Am Freitag war sie ihrer Zeit aber voraus und gratulierte dem Bundesrat bereits zum Deal, als dieser offiziell noch gar nicht kommuniziert worden war. Die Einigung zeigt für die wählerstärkste Partei, dass die Schweiz auch in Zukunft eigenständig handeln kann. Die Schweiz müsse wirtschaftlich offen sein, ohne sich politisch einbinden zu lassen, schreibt sie. Der neue EU-Vertrag sei daher keine Lösung.

    Skeptisch zeigt sich die FDP. «Trumps niedrige Strafzölle sind kein Grund zur Euphorie», sagt sie. Der Bundesrat habe Schlimmeres verhindert. Trump greife zur «15-Prozent-Keule», statt mit dem «39-Prozent-Hammer zuzuschlagen». Man müsse nun sorgfältig prüfen, welchen Preis die Schweiz für den Deal mit den USA bezahlt habe. Die gemeinsame Erklärung der USA und der Schweiz sei lediglich ein «Zwischenschritt auf einem langen Weg».

    Aus dem E-Paper der „NZZ“ vom 15.11.2025


    Gruss

    Christian :hatoff:

    Niveau ist keine Creme und Stil nicht das Ende eines Besens.


  • Bewegendes Zeugnis einer Liebesgeschichte

    Eine Taschenuhr aus dem Wrack der «Titanic» erzielt bei einer Auktion den Rekordpreis von 2 Millionen Euro

    Elena Panagiotidis

    Es ist der höchste Betrag, der jemals für ein Relikt aus der «Titanic» bezahlt wurde: Eine goldene Taschenuhr des beim Untergang des Luxusdampfers ums Leben gekommenen Ehepaars Isidor und Ida Straus hat am Wochenende über 2 Millionen Euro (1,78 Millionen britische Pfund) erzielt. Versteigert wurde der 18-karätige Zeitmesser vom Auktionshaus Henry Aldridge & Son, das auf «Titanic»-Andenken spezialisiert ist. Wie der Auktionator Andrew Aldridge erklärte, ist der Rekordpreis auch Ausdruck des Respekts für «die ultimative Liebesgeschichte» des Paars, das nach

    41 gemeinsamen Jahren lieber zusammen in den kalten Fluten des Atlantiks starb, als sich trennen zu lassen.

    Isidor Straus wurde 1845 im pfälzischen Otterberg in eine jüdische Familie geboren. Sie emigrierte 1854 in die USA. Zunächst landete die Familie im Gliedstaat Georgia, bevor es sie nach New York verschlug. Dort verkaufte Vater Lazarus erfolgreich Geschirr und Porzellan, im Untergeschoss des Kaufhauses Macy’s. In den 1880er Jahren kaufte Lazarus Straus zunächst Anteile, bevor das Kaufhaus 1896 ganz an die Familie überging. Die Brüder Isidor und Nathan Straus expandierten weiter.

    Ein Symbol des Aufstiegs

    1888 – darauf deuten die Gravur und die Firmenchronik hin – schenkte Ida ihrem Mann Isidor die Uhr, die nun versteigert wurde: eine 18-karätige Jürgensen-Taschenuhr, graviert mit seinen Initialen und dem Datum seines 43. Geburtstages.

    Aus den Emigranten aus der Pfalz war da längst ein Symbol des deutsch-jüdischen Aufstiegs in Amerika geworden: Isidor Straus war Unternehmer, kurzzeitig Kongressabgeordneter für New York, Teil der New Yorker Elite, deren Namen an Fassaden und bei Plätzen der Stadt zu finden sind.

    Der Mythos, der heute der Uhr anhaftet, ist jedoch weniger ökonomisch als emotional: das Bild eines Paares, das im Angesicht des Untergangs zusammenbleibt. Mehrere zeitgenössische Berichte, später zusammengefasst von Historikern und in populären Erzählungen, schildern, wie Ida Straus ganz nach der Regel «Frauen und Kinder zuerst» einen Platz im Rettungsboot angeboten bekam. Als der diensthabende Offizier dann auch Isidor einen Platz zugestehen wollte, lehnte dieser ab: Er gehe nicht vor anderen Männern. Ida wiederum weigerte sich, ohne ihren Mann zu gehen. Von ihr ist der Satz überliefert: «We have lived together for many years. Where you go, I go.» So gehörte das wohlhabende Paar zu den wenigen Passagieren der ersten Klasse, die bei dem Unglück den Tod fanden.

    Zeugen berichteten, man habe die beiden zuletzt Arm in Arm an Deck gesehen. James Cameron inszenierte sie 1997 dafür ikonisch als älteres Paar, das im Bett liegt, während das Wasser in die Kabine strömt. Eine Verdichtung, die aus einem historischen Paar ein universelles Symbol ehelicher Treue machte.

    Zehntausende an Beerdigung

    Als die Leiche von Isidor Straus später vom Kabelschiff «Mackay-Bennett» geborgen wurde, fand man in seinem Mantel die Taschenuhr, die damals exakt auf 2 Uhr 20 stand – es war der Zeitpunkt, zu dem die «Titanic» im Nordatlantik verschwand. Die Uhr und andere persönliche Gegenstände wurden der Familie Straus zurückgegeben und blieben über Generationen in ihrem Besitz.

    Zehntausende sollen an der Beerdigung von Isidor Straus – die Leiche seiner Frau wurde nie gefunden – in New York teilgenommen haben. Später wurde an der Kreuzung Broadway / 107th Street ein Straus-Denkmal eingeweiht.

    Nach mehr als einem Jahrhundert taucht der Familienname wieder in einer «Titanic»-Schlagzeile auf. Wendy Rush, Kommunikationschefin der Firma Ocean Gate und Ehefrau des CEO Stockton Rush, der 2023 beim Untergang des Mini-U-Boots «Titan» ums Leben kam, ist eine Ururenkelin von Isidor und Ida Straus. Medien schrieben damals über die «unheimliche Verbindung» zwischen den Straus, die auf der «Titanic» ihr Leben liessen, und der Familie, die später bei einem Tauchgang zu ebendiesem Wrack einen weiteren Verlust erlitt.

    Damit spannt sich ein Bogen dieser Familiengeschichte vom Emigrantenkaufmann in der Pfalz über das New Yorker Warenhauszeitalter bis in die Ära des extrem teuren «Titanic»-Tourismus – und wieder zurück an die Oberfläche in Form einer Uhr, die nun für Sammler zur Trophäe geworden ist.

    Am Ende bleibt ein Bild: eine Uhr, die seit 1912 auf 2 Uhr 20 steht – und doch immer neue Kapitel eines zeitlosen Dramas misst, das offenbar nicht zu Ende erzählt werden will.

    Aus dem E-Paper der NZZ vom 25.11.2025

    Gruss

    Christian :hatoff:

    Niveau ist keine Creme und Stil nicht das Ende eines Besens.


  • «Eine Grande Sonnerie war für mich immer ein heiliger Gral»

    Marc Hayek lanciert bei Blancpain eine höchst komplexe Uhr. Im Gespräch mit Andrea Martel erklärt der Neffe des Konzernchefs Nick Hayek, was das für die Marke bedeutet und wie er seine künftige Rolle innerhalb der Swatch Group einschätzt

    Marc Hayek ist der jüngste Vertreter der Hayek-Familie in der Führung der Swatch Group und zugleich einer der diskretesten. Über den 54-Jährigen, Enkel des Firmengründers Nicolas G. Hayek, Sohn der Verwaltungsratspräsidentin Nayla Hayek und Neffe des Konzernchefs Nick Hayek, ist nur wenig öffentlich bekannt. Er wuchs grossenteils bei seinen Grosseltern auf, fand früh zum Motorsport, ist ausgebildeter Önologe und führte einst ein Restaurant in Zürich. Heute verantwortet er das Prestige-Segment der Uhrengruppe, sitzt seit 2024 im Verwaltungsrat und steht seit mehr als zwanzig Jahren an der Spitze von Blancpain.

    Für die Präsentation einer neuen, technisch besonders anspruchsvollen Uhr (siehe Kastentext) gibt er ein seltenes Interview. Acht Jahre arbeitete ein kleines Team von Uhrmachern und Ingenieuren im Verborgenen an diesem Stück. Für Hayek ist es mehr als ein technisches Statement. Er spricht über dessen Bedeutung für Blancpain – und über Strategie, Markenführung und seine Rolle im Unternehmen.

    Herr Hayek, Sie stellen persönlich eine neue Uhr vor – ein seltenes Ereignis. Ist diese Uhr für Sie so besonders?

    Eine Grande Sonnerie, die die Zeit automatisch mit Glockentönen angibt, macht man nur einmal im Leben. Für mich war sie immer ein heiliger Gral. Schon zu Beginn bei Blancpain wollte ich, dass wir eines Tages die Kompetenz dafür aufbauen.

    Die Idee begleitet Sie also seit langem. Warum kommt die Uhr erst jetzt?

    Realistisch wurde sie, als ich mehr Erfahrungen gesammelt hatte. Das Tempo der Melodie steuert ein magnetischer Regulator – eine Idee, die auf die 2016 vorgestellte Breguet Réveil Musical zurückgeht. Zudem wollte ich keine Grande Sonnerie bauen, nur um zu beweisen, dass wir es können. Für ein Projekt dieser Grössenordnung braucht es einen besonderen Ansatz, sonst lässt es sich nicht rechtfertigen.

    Acht Jahre Entwicklungszeit: Rechnet sich das?

    Der Aufwand war hoch, aber nicht höher als bei anderen grossen Entwicklungen innerhalb der Swatch Group. Wir rechnen damit, die Investition über fünf bis zehn Jahre zu amortisieren, obwohl wir jährlich nur zwei Stück herstellen können.

    Komplizierte Uhren standen bei Blancpain lange nicht im Zentrum. Unter Ihrer Führung wurde vor allem die Taucheruhr Fifty Fathoms vorangetrieben. Viele dachten, Marc Hayek interessiere sich nur für Taucheruhren.

    Ich tauche gerne, aber das war nicht der Grund, zu Blancpain zu kommen. Mich reizte die kleine, unabhängige Struktur der Marke. Ich war schon als Kind ein Uhren-Nerd – lange bevor meine Familie in die Branche einstieg. Als kleiner Knirps habe ich meine Grossmutter jeweils gebeten, mit mir zur Autobahnbrücke zu gehen, weil es dort ein Uhrengeschäft gab und ich Uhren anschauen gehen wollte. Als dann mein Grossvater in den 1980er Jahren in die angeschlagene Uhrenbranche einstieg und die Swatch-Uhr auf den Markt brachte, fand ich das natürlich cool.

    Weshalb dann der langjährige Fokus auf die Fifty Fathoms?

    Als ich angefangen habe, gab es bei Blancpain überhaupt keine Taucheruhren. Erst nach fast einem Jahr fand ich heraus, dass die Marke von den 1950er Jahren bis in die 1980er Jahre welche hergestellt hatte. Jean-Claude Biver, der Blancpain nach der Quarzkrise wiederaufbaute, konzentrierte sich ganz auf elegante Uhren und blendete diese Tradition aus. Ich fand, wir sollten dieses Erbe wiederbeleben und die Kollektion breiter aufstellen. Das braucht Zeit. Parallel liefen andere Entwicklungen weiter, aber wir mussten einen Fokus setzen.

    Erwarten Sie mit der neuen Grande-Sonnerie-Uhr einen Imagewandel für Blancpain?

    Ich hoffe, dass Uhrenliebhaber wieder genauer hinschauen. Manche reduzierten Blancpain auf die Fifty Fathoms – wer sie nicht mochte, ignorierte den Rest. Das frustrierte, denn wir haben überall viel Arbeit ins Detail investiert, oft ohne grosse Resonanz.

    Wird Blancpain damit wieder interessanter für Sammler?

    Wir haben die Sammler, abgesehen von jenen der Fifty Fathoms, tatsächlich verloren. Wir mussten Prioritäten setzen, und der Wiederaufbau der Fifty hat andere Linien verzögert. Das war bewusst, dauerte im Rückblick aber länger und war einschneidender, als wir geplant hatten. Jetzt wollen wir wieder auf den Radar der Sammler zurückkehren. Allerdings nicht bei Spekulanten, die nur auf einen schnellen Gewinn beim Weiterverkauf hoffen, sondern bei echten Uhrenliebhabern, die ihre Stücke auch tragen.

    Die USA sind ein wichtiger Markt für Blancpain. Haben Sie die Zölle hart getroffen?

    Es war sehr aufreibend, nicht nur die absolute Höhe der Zölle, sondern vor allem auch die Unsicherheit und das ständige, kurzfristige Hin und Her. So etwas habe ich in meinen 25 Jahren in der Branche noch nie erlebt. Wir sind allerdings dieses Jahr in den USA trotzdem knapp zweistellig gewachsen.

    Sind Sie erleichtert über den neuen Deal der Schweiz?

    Ja, auch wenn vieles noch unklar ist, etwa, ab wann die neuen 15 Prozent gelten. Es ist viel besser als die bisherigen 39 Prozent, aber die Zölle sind immer noch deutlich höher als früher.

    Neben Blancpain betreuen Sie auch die beiden Marken Breguet und Jaquet Droz. Wie kam es dazu?

    Mein Grossvater sagte mir früh: «Wenn ich einmal nicht mehr da bin, musst du dich um Breguet kümmern.» Man rechnet nicht damit, dass es plötzlich so weit ist. Als er 2010 unerwartet verstarb, gab es keine organisierte Übergabe. Ich bin sofort eingesprungen. Heute habe ich als Präsident zwar weiterhin die Oberaufsicht, aber das Tagesgeschäft liegt beim CEO Gregory Kissling. Bei Jaquet Droz ist es ähnlich. Und ja, das erklärt, warum manche Projekte bei Blancpain länger gedauert haben.

    Ihr Onkel Nick Hayek, der CEO der Swatch Group, ist 71. Könnten Sie sich vorstellen, einmal seinen Posten zu übernehmen?

    Vorstellen kann ich mir das. Aber er ist topmotiviert und fit. Ein Co-CEO-Modell wäre nicht sinnvoll. Es ist nicht an mir zu sagen: «Hör jetzt auf.»

    Er sagt in Interviews, er wolle Sie nicht pushen – Sie sagen, Sie wollten ihn nicht wegdrängen.

    Genau. Wir drängen uns beide nicht. Wir haben einen Plan für den Ernstfall, aber es gibt keinen Fahrplan. Der Moment muss stimmen. Und ehrlich: Mir ist wichtiger, dass es meinem Onkel gutgeht, als irgendein Titel. Wenn er weiter Freude hat und ich irgendwann zu alt bin – auch gut.

    Sie hätten also nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben?

    Nein. Wenn ich nie CEO der Gruppe werde und es allen gutgeht, ist das perfekt.

    Ihr Sohn ist 16. Denken Sie bereits über die nächste Generation nach?

    Ich möchte keinen Druck ausüben. Er interessiert sich für Mechanik und findet Uhren spannend – aber es muss nicht sein. Die Swatch Group ist eine grosse Familie, nicht nur die blutsverwandte.

    Wie funktioniert die Zusammenarbeit in einem Familienunternehmen, das gleichzeitig ein Weltkonzern ist?

    Es ist wie eine erweiterte Familie. Natürlich sind wir drei – Nick, meine Mutter Nayla und ich – nahe. Aber der Kreis ist grösser. Viele unserer Führungskräfte sind seit Jahrzehnten dabei. Dieser langfristige Spirit prägt die Swatch Group am stärksten.

    Aus dem E-Paper der „NZZ“ vom 01.12.2025

    Gruss

    Christian :hatoff:

    Niveau ist keine Creme und Stil nicht das Ende eines Besens.

  • Bringt die Uhr Blancpain neuen Schwung?

    am.

    · Blancpain zählt zu den vier Luxusuhrenmarken der Swatch Group und gilt neben Breguet als die bekannteste. Die Marke gehört seit 1992 zum Konzern; seit 2002 führt sie Marc A. Hayek, der Neffe des Swatch-Group-CEO Nick Hayek. Unter seiner Leitung stand weniger die Haute Horlogerie im Vordergrund als vielmehr die Fifty Fathoms, eine Taucheruhr aus den 1950er Jahren. Sie wurde in zahlreichen Varianten neu aufgelegt und erhielt 2024 zusätzliche Aufmerksamkeit, als Swatch eine farbenfrohe Version unter dem Namen Scuba Fifty Fathoms lancierte.

    Es gab zwar stets auch Uhren mit Komplikationen (Zusatzfunktionen), aber sie wurden nicht besonders offensiv vermarktet. Nun wagt die Manufaktur erstmals seit dem Modell 1735 aus dem Jahr 1991 wieder einen uhrmacherischen Kraftakt: Blancpain präsentiert ihre erste Grande Sonnerie, die wohl anspruchsvollste Komplikation der mechanischen Uhrmacherei. Sie schlägt die Zeit automatisch, Stunde für Stunde und Viertelstunde für Viertelstunde, ähnlich einer Miniatur-Turmuhr. Das Schlagwerk kann bei Bedarf deaktiviert werden.

    Blancpain erweitert die klassische Konstruktion um eine zweite Melodie. Neben dem Westminster-Schlag kann der Träger eine Komposition des Kiss-Schlagzeugers und Uhrensammlers Eric Singer wählen, die ebenfalls auf den vier Tönen der Big-Ben-Melodie basiert.

    Zur Ausstattung gehört zudem ein integrierter retrograder ewiger Kalender, der das Datum bei Monatsende automatisch zurückspringen lässt. Er benötigt bei durchgehendem Betrieb keine Korrektur, bis das Schaltjahr im Jahr 2100 das nächste Mal ausfällt. Acht Jahre arbeitete ein kleines Team an der Konstruktion. 21 Patente entstanden, 13 davon fanden Eingang in das finale Werk. Das Uhrwerk umfasst 1053 Komponenten. Sämtliche davon werden in den Ateliers von Blancpain gefertigt und veredelt. Hergestellt werden maximal zwei Exemplare pro Jahr, der Preis liegt bei 1,7 Millionen Franken.

    Die Grande Sonnerie dient auch als Statement für die technische Kompetenz der Manufaktur. Nach Jahren, in denen Blancpain primär über die Fifty Fathoms wahrgenommen wurde, soll die Marke wieder stärker für ihre uhrmacherische Substanz stehen. Wirtschaftlich wäre neuer Schwung willkommen: Blancpain ist stark in China positioniert und spürt die dortige Konsumzurückhaltung deutlich. 2024 dürfte die Produktion bei knapp 30 000 Uhren liegen, nach 35 000 im Rekordjahr 2023.

    Hayek kündigt an, dass weitere Modelle mit Schwerpunkt auf Komplikationen folgen werden – weniger extrem als die Grande Sonnerie, aber in der gleichen Richtung. Innerhalb der Swatch Group gilt Blancpain seit Jahren als wichtigste High-End-Werkschmiede: Die Marke entwickelt nicht nur eigene Kaliber, sondern liefert auch komplexe Konstruktionen für Schwestermarken wie Omega oder Jaquet Droz und übernimmt Sonderentwicklungen in Kleinserien. Strategisch ist sie damit für den Konzern über die eigene Kollektion hinaus von Bedeutung.

    Aus dem E-Paper der „NZZ“ vom 01.12.2025

    Gruss

    Christian :hatoff:

    Niveau ist keine Creme und Stil nicht das Ende eines Besens.

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